Der Landschaft auf der Spur
In Hamburg wird der exquisite Geraer Künstler Heinrich Reinhold wiederentdeckt. Kooperation mit Weimar
Hamburg/Weimar. Ein letztes Kuriosum im Thüringer Ausstellungsjahr: Den vorzüglichen Geraer Maler, Zeichner und Grafiker Heinrich Reinhold (1788-1825) gilt es jetzt, dank Weimarer Hilfe, in Hamburg zu entdecken. Im Hubertus-WaldForum der dortigen Kunsthalle öffnet morgen Abend die erste große Retrospektive seit 30 Jahren für den weithin vergessenen, zu Lebzeiten indes hoch geachteten Künstler. Professor Hermann Mildenberger, Leiter der Graphischen Sammlungen bei der Klassik-Stiftung, erwartet nichts weniger als eine Neubewertung seines Oeuvres.
Die letzte große Ausstellung habe es anno 1988 in Gera gegeben. Mildenberger, der Superlative sonst eher zurückhaltend gebraucht, nennt Reinhold sogar „von der Qualität her den wichtigsten aus Thüringen stammenden Künstler des 19. Jahrhunderts“. Insbesondere als Maler alpiner und italienischer Landschaften besitzt er einen Nimbus. Er genoss etwa die Bewunderung des Architekten Karl Friedrich Schinkel und des Bildhauers Bertel Thorvaldsen, die bei ihm kauften.
Reinholds Vater sowie seine vier Brüder waren ebenfalls Künstler. Früh ließ Heinrich thüringische Gefilde hinter sich und zog 1806 gen Wien, um an der Kunstakademie zu studieren. Zufällig wurde die KunstEntourage der napoleonischen Eroberer auf ihn aufmerksam, und prompt wurde er nach Paris als Kupferstecher engagiert, damit er mit einem grafischen Schlachtenzyklus zur Huldigung des Empereur beitrüge. Einige Jahre arbeitete er im Zentrum des europäischen Kunstbetriebs. 1814 war allerdings Schluss mit der Herrlichkeit, das Großprojekt der „Campagnes des Napoléon“erlitt sein Waterloo bereits mit dem Russland-Feldzug, und Reinhold wandte sich wieder gen Wien.
Nur wenige Probeabzüge, so schildert Mildenberger, haben sich aus jenen Tagen erhalten. Die großformatigen Kupferplatten wurden, da sie immerhin noch Materialwert besaßen, abgeschliffen und recycelt. Von der Donaustadt aus unternahm Heinrich im Verein mit seinem Bruder Friedrich Philipp und anderen Malerfreunden ausgedehnte Wanderungen ins Salzburger und Berchtesgadener Land sowie ins Schneeberggebiet, 1819 ging er nach Rom und erkundete von dort aus, unter anderem im Gefolge von Mäzenen wie Fürst Ferdinand von Lobkowitz, die mediterranen Landschaften im Lichte des Südens – bis nach Sizilien.
Bis zu seinem frühen Tod infolge einer rätselhaften Tuberkulose-Erkrankung entwickelte sich Heinrich Reinhold zu einem Meister der Landschaftsskizze. Mit der Ideenwelt und Formensprache der Romantik auf das Beste vertraut, ging er alsbald sogar einen Schritt weiter und fand zu einer nüchterneren, dem Realismus vorgreifenden Stilistik. Gerade dies macht ihn für die Kunstgeschichte interessant. Vehement wehrt sich Mildenberger, Reinhold als einen „Maler der Goethezeit“zu apostrophieren. Denn im Grunde war er seiner Zeit um eine Generation voraus.
Unter Sammlern würden Reinholds Werke seit jeher sehr geschätzt und hoch gehandelt, erläutert der Weimarer Experte. „Vom Zeichnerischen und von der Ölstudie her war er ein unglaubliches Talent“, sagt Mildenberger; ohne geregelte Einkünfte agierte er als freier Künstler. Mit Beharrlichkeit und Fortune glückte es 2011 der Klassik-Stiftung, einen Gutteil des Nachlasses zu erwerben – außer Gemälden und grafischen Blättern auch Briefe und andere Lebenszeugnisse Reinholds. So erwuchs die Klassikstadt zum gewichtigsten Zentrum dessen künstlerischen Bestandes neben Hamburg. Außer einigen Ölbildern sind darin rund 60 Zeichnungen enthalten.
Fast 40 Leihgaben haben die Weimarer jetzt nach Hamburg verfrachtet. Für die Ausstellung „Der Landschaft auf der Spur“, die bis 10. März gezeigt wird, firmiert die Stiftung als Kooperationspartner und Hermann Mildenberger als Co-Kurator. Weitere Leihgaben kommen unter anderem aus Wien und Berlin. Mindestens unter Kennern wird diese Schau gewiss Sensation machen; der opulente und instruktive Katalog im Hirmer-Verlag setzt Maßstäbe. Umso betrüblicher, dass die Ausstellung – andersalsursprünglichgeplant–nicht auch in Weimar Station macht. Wegen des Umbaus des Schillermuseums verfüge man nicht über die räumlichen Kapazitäten, lautet die offizielle Begründung.
So ist die Klassik-Stiftung Weimar dieses Jahr, nach Projekten in München und Paris, mit einer dritten großen Ausstellung auswärts aktiv und gibt im eigenen Lande ein recht disparat-untätiges Bild ab. Hiesigen Kunstfreunden bleibt zum Trost nur der Katalog – und vielleicht die Lust auf einen genüsslichen WochenendTrip.
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Bis . März , Dienstag bis Sonntag bis Uhr, Katalog (Hirmer) S., Euro (im Buchhandel . Euro), Internet: www.hamburger-kunsthalle.de