Zwei Rivalen, zwei Welten
2:1 im Revier-Derby: Tabellenführer BVB bleibt ungeschlagen – und Schalke droht ein quälend langer Abstiegskampf
Gelsenkirchen. Zwischen diesen Bildern lagen ein, zwei Stunden. Und Welten. Das eine entstand am Samstagabend in Dortmund, Stadtteil Brackel, wo die Fußballer der Borussia ihr Trainingsgelände haben. Hunderte Anhänger erwarteten die Spieler und zündeten, als sie im Mannschaftsbus um die Ecke bogen, ein üppiges Feuerwerk. Raketen spritzten in den Himmel.
Das andere Bild lieferte Guido Burgstaller, der Stürmer des FC Schalke 04, der sich bald nach Schlusspfiff humpelnd aus der heimischen Arena schleppte. Der Ausgang nur noch einen Treppenabsatz nach oben entfernt. Wie es ihm geht? Er hob den Zeigefinger. „Ich muss nach oben.“Burgstaller sah aus und klang, als wäre die Bewältigung einiger Stufen ein wahres Ding der Unmöglichkeit.
Der 2:1 (1:0)-Sieg von Borussia Dortmund im Revierderby beim FC Schalke 04 wurde zum Abbild des jeweiligen Saisonverlaufs: Die Leichtigkeit des Bundesliga-Tabellenführers hier, bleierne Schwere dort. Während Schwarz-Gelb auch nach dem 14. Spieltag ungeschlagen ist, dümpelt Königsblau bedrohlich nah am Abgrund herum. Entfernung zum Relegationsplatz: drei Punkte. Ist das schon Abstiegskampf? „Ich weiß nicht, wie man das nennt, aber wir können die Tabelle lesen“, sagt Manager Christian Heidel. „Die Lage ist schwierig.“
Zumal das Duell mit dem Rivalen aus Dortmund auch keine Anzeichen für eine baldige Besserung der Gesamtlage lieferte: spielerisch einfallslos, fehlerhaft selbst bei einfachsten Pässen, offensiv harmlos. Daniel Caligiuri konnte zwar per Foulelfmeter (61.) die frühe Führung durch Thomas Delaney (7.) ausgleichen, aber Jadon Sancho stellte das verdiente Ergebnis her (74.).
Der erhoffte Befreiungsschlag blieb aus. Im Gegenteil. Neue Probleme tauchten auf. „Unsere personelle Situation wird sich eher dramatisieren als bessern“, fürchtet Heidel. Grund: Innenverteidiger Matija Nastasic sah seine fünfte Gelbe Karte und fehlt damit im nächsten Bundesligaspiel in Augsburg. Und der später so bedauernswert in die Nacht humpelnde Burgstaller musste wegen Achillessehnenschmerzen früh ausgewechselt werden – und mit ihm der letzte gesunde Angreifer. „Die Stürmersituation ist richtig brutal“, sagt Torwart Ralf Fährmann. „Er war der letzte Mohikaner.“Schalke bleibt aber trotzig. „Wir gucken nach vorne und nicht darauf, was hinter uns passiert“, blendet Nastasic einen möglichen Abstiegskampf aus. „Wir sind Schalke 04. Wir sind einfach eine gute Mannschaft“, ordnet Ralf Fährmann an. Zu sehen war davon gegen Dortmund allerdings wenig.
Dabei erwischte die Borussia nicht einmal einen sonderlich guten Tag. „Es war sicherlich nicht unsere beste Saisonleistung“, sagte BVB-Sportdirektor Michael Zorc am Sonntag. „Dass wir uns zwischendurch selbst ein bisschen zu sehr zurückgenommen haben, etwas zu sehr verwaltet haben, haben wir selbst gemerkt, als es auf einmal 1:1 stand. Aber dann war es wichtig, dass die Mannschaft sofort in der Lage war, den Hebel umzulegen.“Schon am Samstag im Heimspiel gegen Bremen kann der BVB die Herbstmeisterschaft feiern. Im schwarz-gelben Kosmos ist in dieser Saison träumen erlaubt. „Solche Spiele sind für den Kopf extrem wichtig“, sagt Marco Reus, Kapitän der Mannschaft, die im Derby die deutlich reifere und bessere war. 22 Punkte trennen die Rivalen des Ruhrgebiets bereits in der Tabelle. „Das ist nicht unser Thema“, sagt Michael Zorc. Es klingt, als würde er sagen wollen: Das ist auch nicht unser Maßstab.