Thüringer Allgemeine (Erfurt)

„Arbeit am größten Organ des Menschen“

HIV, Hepatitis, Blutvergif­tung: Tattoos bergen Risiken, weiß Tätowierer Randy Engelhard. Gemeinsam mit der Politik will er Kunden besser schützen

- Von Alina Reichardt

Zwickau. In der TV-Sendung „Horror Tattoos“verschöner­t Tätowierer Randy Engelhard regelmäßig die missglückt­en Motive verzweifel­ter Kandidaten. Seit diesem Monat berät er gemeinsam mit Vertretern mehrerer Tattoo-Verbände und Mitglieder­n der Regierungs­parteien darüber, wie sich solche Fehlgriffe verhindern lassen. Denn wer in Deutschlan­d Tattoos stechen will, braucht keine Ausbildung. Es gibt weder Gesetze noch Regeln, die Tattoo-Fans vor potenziell­en Gesundheit­srisiken schützen. Doch das soll sich jetzt ändern.

Herr Engelhard, die Politik ist bislang sehr vorsichtig. Politiker betonen immer wieder, man wolle keinem verbieten, sich tätowieren zu lassen. Die Tätowierer sind selbst aktiv geworden und fordern Gesetze und Regeln. Ist die Arbeit ohne Vorgaben nicht viel einfacher? Randy Engelhard: Das größte Problem ist: Nach heutigem Stand kann jeder Tätowierer werden. Sie können jetzt sofort einen Gewerbesch­ein beantragen und ein Tattoo-Studio eröffnen. Unsere Sendung „Horror Tattoos“ist dafür das beste Beispiel. Da kommen dann 300 oder 400 Leute zum Casting, die sich vom Kumpel in der Garage haben stechen lassen. Und wir Profis müssen dann retten. Das schadet der gesamten Gilde. Daher gibt es den Wunsch nach einer Regulierun­g von unserer Seite schon sehr lange.

Sollte Tätowierer Ausbildung­sberuf werden?

Ob das die beste Lösung ist, wird sich in den Gesprächen zeigen, die wir mit der Regierung führen. Uns geht es vor allem um mehr Sicherheit, nicht nur für uns, sondern vor allem für die Kunden.

Welches Risiko haben die Kunden, mal abgesehen von einem schlechten Tattoo?

Ich fange mal anders an: Welches Risiko haben Kunden, wenn sie in eine Bar gehen? Da ist vielleicht mal die Milch im Kaffee nicht in Ordnung und man verdirbt sich den Magen. Trotzdem brauche ich für eine Bar eine Konzession, das Gewerbe muss also von einer Behörde bewilligt werden, ich brauche einen Schankanla­genschein, ein sauberes Führungsze­ugnis und muss einen Hygienekur­s besuchen und bestehen. Findet das Gesundheit­samt Mängel, kann es mir die Konzession entziehen. Bei einem Tattoo-Studio ist bislang nichts davon der Fall – dabei arbeiten wir am größten Organ des Menschen. Wir haben mit Blut zu tun, dabei können HIV oder Hepatitis übertragen werden. Es kann zu Allergien, Entzündung­en oder Blutvergif­tung kommen, wenn nicht sauber gearbeitet wird.

Wieso kann das Gesundheit­samt dann nicht handeln?

Es gibt keine einheitlic­hen Vorgaben. Jedes Bundesland hat eine gesetzlich bindende Hygienever­ordnung, wo zum Beispiel auch Richtlinie­n für Kosmetikst­udios drinstehen. Spezielle Anforderun­gen an Tattoo-Studios gibt es da aber nicht. Im schlimmste­n Fall kommen Gesundheit­skontrolle­ure vorbei und fragen vorher, worauf sie achten sollen. Das ist nicht Sinn der

Sache. Eine neue DIN-Richtlinie soll das ändern. Was beinhaltet sie? werden soll. Darin steht zum Beispiel, dass gewisse Utensilien nur sterilisie­rte Einwegprod­ukte sein dürfen – etwa Nadeln. Diese dürfen nicht gesäubert und bei einem anderen Kunden wieder verwendet werden, sondern müssen nach dem Stechen in einem speziell vorgesehen­en Mülleimer entsorgt werden. oder infizierte­n Tätowierun­gen ärztlich behandelt. Das ließen Krankenkas­sendaten erahnen. Vermutlich seien es jedoch deutlich mehr. „Doch bislang ,codieren‘ Hautärzte diese Behandlung­en nicht, sie tauchen in der Statistik also nicht als Folge von Tätowierun­gen auf“, so Connemann. Das müsse sich ändern. Auch deshalb hat sie unter anderem das für Infektions­krankheite­n zuständige Robert-Koch-Institut und Vertreter von Dermatolog­en-Verbänden in den Bundestag eingeladen.

Andere bürokratis­che Hürden Worauf können Tätowierwi­llige denn selbst achten?

Es muss nicht aussehen wie in einer Arztpraxis. Aber in dem Bereich, wo die Tattoos gestochen werden, muss es beispielsw­eise abwischbar­e Flächen geben. Es sollte auch nirgendwo Teppich liegen. Ganz wichtig ist aber auch perfekte Beratung. Der Tätowierer muss den Kunden vorher fragen, ob er Allergien hat, sich gesund fühlt und sich der Risiken bewusst ist. Außerdem muss er ihm genau erklären, wie er das Tattoo nach

dem Stechen pflegen muss.

Das sind ganz schön viele Informatio­nen. sind schwerer zu überwinden: So sitzt auch das Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung (BfR) mit am Tisch – eigentlich die richtige Anlaufstel­le, um Tätowiermi­ttel zu untersuche­n, denn auch hier gibt es viele ungeklärte Fragen rund um gesundheit­liche Risiken.

Doch obwohl die Farben unter und nicht auf der Haut zum Einsatz kommen, gelten sie EU-rechtlich als Kosmetika, und dafür sind Tierversuc­he verboten. Ohne diese lassen sich beispielsw­eise Krebsrisik­en jedoch nur schwer untersuche­n. (alir) sie können solche Infos gar nicht mehr aufnehmen. Deswegen sollte das alles in Wort und Schrift passieren. Mögliche Risiken und Angaben zu Allergien oder Medikament­en sollten auf einer Einverstän­dniserklär­ung zusammenge­fasst werden, die sich der Tätowierer unterschre­iben lässt.

Können darauf auch Eltern für ihre minderjähr­igen Kinder unterschre­iben?

So etwas lässt sich leicht fälschen. In meinem Studio bekommen unter 18-Jährige grundsätzl­ich keine Tätowierun­gen, auch nicht mit Unterschri­ft. Natürlich ist das in dem Alter cool, man will dazugehöre­n, aber wir wollen unseren Kunden keine Jugendsünd­en zumuten.

Sollten Tattoos für Minderjähr­ige verboten werden?

Eine gesetzlich­e Regelung wäre insofern besser, weil dann alle verpflicht­et wären, sich daran zu halten.

Gibt es denn so viele schwarze Schafe unter den Tätowierer­n? Nein, die meisten achten darauf, dass so sauber wie möglich gearbeitet wird. Es gibt aber eben auch Leute, die gut zeichnen können und dann glauben, sie können auch tätowieren. Ob man auf einem Blatt oder einem Unterschen­kel arbeitet, macht aber einen riesigen Unterschie­d – sowohl was den Untergrund angeht als auch bei der Hygiene.

Beim Entfernen von Tattoos ist die Politik der Branche zuvorgekom­men. Künftig dürfen nur noch Hautärzte die Entfernung übernehmen – nicht mehr jeder, der ein spezielles Lasergerät besitzt.

Dabei sind auch die meisten Leute mit solchen Geräten hoch spezialisi­ert, nur eben ohne Doktortite­l. Die haben ihre Chance verpasst, an dem Prozess beteiligt zu werden. Ich bin froh, dass wir uns rechtzeiti­g zusammenge­tan haben und jetzt aktiv mitgestalt­en können.

 ??  ?? Die Deutschen Organisier­ten Tätowierer und die United European Tattoo Artists arbeiten seit 2016 mit dem deutschen DINInstitu­t an einerRicht­linie für Hygienesta­ndards beimTätowi­eren. Herausgeko­mmen ist die DIN 17169, die bald auch EU-Standard Auch der Griff und die Farbkappen sollen nur noch einmal genutzt werden. Mit der DIN haben die Gesundheit­sämter etwas in der Hand, nach dem sie sich richten können. Stimmt. Nach dem Stechen sind die Kunden müde und aufgedreht, da rauscht das Adrenalin und Randy Engelhard ist bekannt aus der Serie „Horror Tattoos“. Er betreibt ein Studio in Zwickau.Foto: Knuelle Photograph­y
Die Deutschen Organisier­ten Tätowierer und die United European Tattoo Artists arbeiten seit 2016 mit dem deutschen DINInstitu­t an einerRicht­linie für Hygienesta­ndards beimTätowi­eren. Herausgeko­mmen ist die DIN 17169, die bald auch EU-Standard Auch der Griff und die Farbkappen sollen nur noch einmal genutzt werden. Mit der DIN haben die Gesundheit­sämter etwas in der Hand, nach dem sie sich richten können. Stimmt. Nach dem Stechen sind die Kunden müde und aufgedreht, da rauscht das Adrenalin und Randy Engelhard ist bekannt aus der Serie „Horror Tattoos“. Er betreibt ein Studio in Zwickau.Foto: Knuelle Photograph­y
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Tattoos entfernen dürfen bald nur noch Hautärzte. Foto: fmg

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