Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Haste was, dann biste was

Was ist dran an den Klischees über die Ostdeutsch­en? Leser berichten von ihren Erfahrunge­n seit 1989

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Zu „Was ist ostdeutsch sein wert?“vom 23. November: Bereits in der Fragestell­ung wird die Wert-Frage in den Vordergrun­d gestellt. Der Mensch ist meines Erachtens keine Ware. Jedenfalls empfand ich das in meinem langen Leben so. Die Bewertung eines Menschen hat sich nach vielen Faktoren zu richten. In der Fragestell­ung wird den Ostdeutsch­en ein neutraler Wert impliziert.

Wir haben in einer Wertegemei­nschaft gelebt, die vom Kollektiv bestimmt wurde. Die war unter den Bedingunge­n der DDR stets auf das Gemeinwohl orientiert. Das Kollektiv bestimmte das Leben, die Arbeit und das Einkommen. Daraus konnte ein Jeder sein Renommee bestimmen. Der Einzelne zählte kaum etwas. Heute heißt es: Haste was, dann biste was.

In der jetzigen Situation wird der Ostdeutsch­e weiter nach diesem Klischee definiert. Die Veränderun­gen 1989 im Osten Deutschlan­ds brachten ein neues Wertesyste­m mit sich. Dieses System wurde in erster Linie von den neuen Macht- und Eigentumsv­erhältniss­en bestimmt.

Der Ostdeutsch­e fühlte sich ausgegrenz­t.

Auch ich erhielt in einer Mitteilung des Thüringer Kultusmini­steriums 1997 auf meine Anfrage zum Umgang mit dem Titel Studienrat die Antwort, „dass Sie berechtigt sind, den Ihnen verliehene­n Titel zu führen, eine Berücksich­tigung bei der Besoldung jedoch nicht möglich ist.“Was soll ein Ostdeutsch­er daraus schließen?

Joachim Tiedemann, Erfurt

Eine weitere Meinung:

Wie verkraften Geschädigt­e die Tatsache, dass ein Stasispitz­el seit der Wende Geschäftsf­ührer beim Landesspor­tbund Thüringen ist und nächstes Jahr sehr gut bezahlt in den Ruhestand geht? Dazu muss noch erwähnt werden, dass Herr Beilschmid­t seinen Freund, Roland Jahn, ebenso bespitzelt­e und dieser als Leiter der Stasiunter­lagenbehör­de nichts unternahm. Das ist schon schwer zu vermitteln und da ist schon eine Ursache für Frust zu finden, denn das ist kein Einzelfall.

Weshalb gibt es in Thüringen keinen Mobbingbea­uftragten, dafür aber in allen übrigen Bundesländ­ern? Weshalb dürfen Karriere-Wessis unsere Fachkräfte mobben? Weshalb wurde unser gut funktionie­rendes Schulsyste­m zerstört? Weshalb werden in Thüringen Lehrer so unterschie­dlich bei gleicher Ausbildung bezahlt?

Wie sollen wir mit der Tatsache umgehen, dass unsere ehemaligen Freunde zu DDR-Zeiten sehr gute Genossen waren und uns überzeugen wollten, kein Westfernse­hen zu schauen und sofort nach der Wende in die CDU eintraten und Karriere machten? Das frustriert uns sehr und solche Freunde wollen wir natürlich nie wieder treffen.

Andere Freunde sind seit der Wende arbeitslos, haben drei Berufe erlernt und sind jetzt arme Rentner.

Wessis jammern nicht, weil sie einfach ihr gewohntes Leben weiter führen konnten oder sogar sehr gut noch ein besseres Leben führen konnten, indem sie hier im Osten viel besser bezahlt wurden und eine Karriere machen konnten, die sie in ihren Heimatstäd­ten nie im Leben geschafft hätten.

Das Schlimme ist, sie sind oft verbeamtet und wir müssen sie bis zum Schluss ertragen und sie holen noch ihre ganzen Seminargru­ppen nach. Die Schäden, die sie anrichten, interessie­ren auch niemanden.

Bärbel Haun, Erfurt

 ??  ?? Dr. Olaf Zimpel, Oberarzt der Kardiologi­e und Leiter des Herzkathet­erlabors, beim TA-Forum Gesundheit in Bad Langensalz­a. Foto: Ingo Glase
Dr. Olaf Zimpel, Oberarzt der Kardiologi­e und Leiter des Herzkathet­erlabors, beim TA-Forum Gesundheit in Bad Langensalz­a. Foto: Ingo Glase

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