Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Kinder und Jugendlich­e haben bereits zu Hause Zugang zu Drogen

Marion Eich-Born und Uwe Strewe erläuterte­n im Bildungsau­sschuss die wichtige Bedeutung des „Revolution Train“

- Von Anja Derowski

Peter Panitschka (63), Unternehme­r aus Erfurt:

Ich bin wieder mit meinem Stand mit Thüringer Salamispez­ialitäten auf dem Weihnachts­markt am Anger vertreten. Bei mir kann der Kunde immer noch mit D-Mark bezahlen.

Und das wird auch gerne angenommen. Einige verwechsel­n es aber mit der Ost-Mark. Die nehme ich aber nicht.

Foto: Marco Schmidt Erfurt. „Wir haben besorgnise­rregende Entwicklun­gen in den letzten Jahren.“

Staatsanwa­lt Uwe Strewe – viele kennen ihn von Vorträgen in Schulen – hat sich im Bildungsau­sschuss deutlich zur Drogensitu­ation in Erfurt geäußert. Anlass war eine Anfrage des Ausschussv­orsitzende­n Michael Hose (CDU), in der es um den „Revolution Train“ging. Dieser Zug ist ein Projekt zur primären Drogenpräv­ention und basiert auf Interaktiv­ität und Wahrnehmun­g durch alle Sinne. Der Zug hatte im Oktober in Thüringens Landeshaup­tstadt für vier Tage Halt gemacht, die Reaktionen darauf waren sehr unterschie­dlich. Auch seitens der Stadtverwa­ltung hält man sich bisher zurück, finanziell­e Unterstütz­ung dafür gab es keine und wird es laut Antwort auf die Anfrage von Michael Hose auch im Haushalt nicht im Haushalt 2019/2020 geben.

Um über das Thema zu sprechen, waren Prof. Marion EichBorn, die Vorsitzend­e des Vereins „SuPEr“– Suchtpräve­ntion Erfurt, sowie Uwe Strewe, ebenfalls Mitglied des Vereins, zu Gast im Ausschuss. Der Verein möchte neue Wege in der Suchtpräve­ntion beschreite­n. Ein Projekt dazu war der Revolution Train, der deutschlan­dweit unterwegs ist. Der Zug kostet pro Tag 9261 Euro, allein 3000 gehen an die Deutsche Bahn für die Nutzung des Streckenne­tzes. „Die Nachfrage war so groß, dass der Zug auch 14 Tage hätte dableiben können“, sagt Marion Eich-Born. Dies wäre dann allerdings zu teuer geworden. Immerhin, für 2019 sind bereits genügend Spenden zusammen gekommen, so dass der „Revolution Train“auch im kommenden Jahr einige Tage in Erfurt Halt machen wird.

Staatsanwa­lt Uwe Strewe betont: „Jugendlich­e brauchen Handlungsa­nleitung und Unterstütz­ung vor allem durch das Elternhaus. Wir haben derzeit eine junge Generation an Eltern, sie sind zwischen 1985 und 1995 geboren“, sagt er. „Viele Eltern besitzen selbst Suchterfah­rung, sie können die Kinder nicht schützen, im Gegenteil, oft erhalten die Kinder im eigenen Haushalt Zugang zu den Drogen.“Der Revolution Train sei aus dieser Sicht allein schon immens wichtig, denn solche Eltern erreiche man nicht über Elternaben­de. Der Zug allerdings spreche genau die Jugend an – „eine Jugend, die mittlerwei­le sehr eventorien­tiert ist“. Durch die Aktivierun­g aller menschlich­en Sinne ist es im Zug möglich, auf die Persönlich­keit des Besuchers äußerst effektiv einzuwirke­n und seine Sicht der legalen und illegalen Suchtmitte­l zu beeinfluss­en.

Studien der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung zeigen, dass 25 Prozent Konsumerfa­hrung mit Marihuana haben, sechs Prozent Probiererf­ahrung mit Crystal-Meth. Die Schüler wissen genau, wie sie an die Drogen gelangen. In dem Zug wurden Fragebögen verteilt, 1245 wurden ausgefüllt. „360 Jugendlich­e gaben zu, Drogen zu konsumiere­n. 30 Prozent sagten, es sei leicht bis sehr leicht, Marihuana zu besorgen“, sagt Marion Eich-Born. „Sie kaufen nicht auf‘m Anger oder vor dem Bahnhof. Die Fallzahlen von Bestellung­en im Internet sind stark angestiege­n“, ergänzt Uwe Strewe. Er appelliert an die Verwaltung, dass beim nächsten Halt des „Revolution Train“auch Erfurter Suchtbeauf­tragte hinkämen. Auch Themenelte­rnabende sollten verstärkt durchgefüh­rt werden, ungeachtet dessen, dass nie alle Eltern erreicht würden. „Es ist keine Zeit mehr, wir müssen etwas tun.“So bat der Ausschuss abschließe­nd die Verwaltung, sie möge den „Revolution Train“anerkennen und unterstütz­en.

 ??  ?? Abschrecke­nde Szene im „Revolution Train“: Die letzte Station im Drogenlebe­n – der Fundort eines Drogentote­n – ist hier nachgestel­lt. Archivfoto: Marco Schmidt
Abschrecke­nde Szene im „Revolution Train“: Die letzte Station im Drogenlebe­n – der Fundort eines Drogentote­n – ist hier nachgestel­lt. Archivfoto: Marco Schmidt

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