Ein Vorbild namens Greta
Schwedin (15) schwänzt seit Monaten die Schule, um gegen den Klimawandel zu demonstrieren. Tausende eifern ihr nach
Stockholm. Binnen weniger Monate ist sie zum KlimaschutzWeltstar geworden. Überall wo Greta (15) derzeit auftaucht – ob auf dem UN-Klimagipfel im polnischen Kattowitz oder zu Hause in Schweden –, bildet sich sofort eine Menschentraube um die Schülerin. Eine schwedische Kirchengemeinde bezeichnete die junge Aktivistin unlängst gar als „auserwählte Nachfolgerin“Jesu. Was steckt hinter dem Phänomen?
„Totales Chaos“herrsche um Greta herum, erzählt eine Bekannte des Mädchens. „Sie hat nicht eine freie Minute.“Dabei dachten Gretas Freunde und Lehrer Ende August noch, sie sei durchgedreht. Nach dem auch in Schweden extrem warmen Sommer war das, was Greta ihre „Klimaangst“nennt, so stark geworden, dass sie bis zu den Parlamentswahlen im September drei Wochen lang die Schule schwänzte und seither jeden Freitag. Warum, fragte sie, soll ich für die Zukunft lernen, wenn es vielleicht gar keine Zukunft gibt? Selbstsicher wie Pippi Langstrumpf stellte sich das knapp 1,50 Meter kleine Mädchen mit seinen zwei geflochtenen Zöpfchen vor den schwedischen Reichstag und demonstrierte ganz allein. „Schulstreik für das Klima“stand auf ihrem Schild, das fast genauso groß wirkte wie sie selbst. Auf Handzetteln klagte sie die Erwachsenen an. Kinder müssten die Zukunft selbst in die Hand nehmen und den Klimaschutz vorantreiben. Gretas Botschaften sind simpel und doch sonderbar einleuchtend: Die meisten Erwachsenen dächten kaum über die nächsten 30 Jahre hinaus, weil sie dann eben nicht mehr am Leben seien. Sie dagegen, geboren 2003, und andere Kinder schon.
Die Medien begannen, über Greta zu berichten. Täglich stellten sich weitere Stockholmer Kinder dazu. Schließlich gab es ähnliche Schülerdemos in 100 schwedischen Gemeinden. Mittlerweile machen Kinder in aller Welt ihre Streikaktionen nach, darunter allein in Australien 15.000. Kaliforniens ExGouverneur Arnold Schwarzenegger lud Greta ein und schrieb ihr: „Du inspirierst mich.“Greta reist inzwischen zu Vorträgen und Demos in halb Europa. Immer mit dem Elektroauto – ihr Vater, Schauspieler und Schriftsteller, nimmt sich die Zeit. Es scheint, als sei Greta Vorreiterin einer Bewegung. Viele junge Schweden reden derzeit von ihrer „Klimaangst“und ihrer „Flugscham“. An den Unis gibt es dazu Bewältigungsseminare.
Die Autistin saugt alle Daten auf
Greta, die Konsum ablehnt und fordert, „das System“zu erneuern, leidet unter dem AspergerSyndrom, einer Form des Autismus. Seit Jahren sauge sie alles auf, was mit dem Klimawandel zu tun hat. „Ich glaube, auf gewisse Weise sind wir Autisten die Normalen, während alle anderen etwas sonderbar sind“, meint die 15-Jährige.
Wie groß ihr Einfluss ist? Seit sie so bekannt ist, wollen Politiker sie kennenlernen. Auch in Kattowitz beim Klimagipfel hat sie einige Entscheidungsträger getroffen. Greta sagt, sie bitte keinen Staatschef darum, etwas zu tun. „Ich sage ihnen, dass der Wandel kommt – ob sie es mögen oder nicht.“