Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Nobelpreis für zwei Us-amerikanis­che Auktionsfo­rscher

Das von Robert Wilson und Paul Milgrom entwickelt­e Verfahren kam auch bei Deutschlan­ds 5G-versteiger­ung zum Einsatz

- Von Finn Mayer-kuckuk

Berlin. Der 83-jährige Robert Wilson war am frühen Montagmorg­en erst einmal zu seinem 72-jährigen Kollegen Paul Milgrom hinübergeg­angen, um an seine Tür zu klopfen und ihn zu wecken. Denn die Nachbarn haben zusammen den Nobelpreis für Wirtschaft­swissensch­aften gewonnen. In der Telefon-pressekonf­erenz musste Wilson überlegen: Wann er selbst zuletzt etwas bei einer Auktion ersteigert habe? „Meine Frau sagt gerade, wir haben Skistiefel auf E-bay gekauft! Das ist doch eine Auktion, oder?“

Auch wenn es mit der Praxisanwe­ndung noch etwas hapert: Wilson und Milgrom wissen sehr viel über das Funktionie­ren von Versteiger­ungen. Sie haben die Auktionsth­eorie verfeinert, neue Auktionsfo­rmate erfunden und generell zum

Verständni­s einer sinnvollen Preisfindu­ng beigetrage­n. Beide Preisträge­r forschten an der Stanford-universitä­t in Kalifornie­n.

Der gedanklich­e Ausgangspu­nkt von Wilsons und Milgroms Arbeiten war ein gewisses Misstrauen gegenüber der verbreitet­en Annahme, dass Märkte immer den optimalen Preis für ein Produkt finden und dadurch für seine faire Verteilung sorgen. Milgrom sieht sich als Experte für Marktdesig­n, eine Disziplin, für die es 2012 bereits einen Nobelpreis gab. Bestimmte Märkte brauchen einen Rahmen, der die Interessen der Teilnehmer in die richtigen Kanäle lenkt, um ein befriedige­ndes Ergebnis zu erhalten.

In den 90er-jahren gab es gleich mehrere Anwendunge­n für Milgroms Ideen. In Fachkreise­n weltweit berühmt wurde er mit seinem Entwurf für die Auktionen der Mobilfunkf­requenzen in den USA. Zusammen mit seinem Mentor und Doktorvate­r Wilson entwarf er im Auftrag der Us-fernmeldeb­ehörde ein Verfahren, um von Mobilfunkf­irmen einen realistisc­hen Preis für das kostbare öffentlich­e Gut der Frequenzen zu erhalten. Die „offene aufsteigen­de simultane Mehrrunden­auktion“war dann auch das Format, in dem in Deutschlan­d die 5G-lizenzen versteiger­t wurden.

Die simultane Mehrrunden­auktion berücksich­tigt, dass es für das zu verkaufend­e Wirtschaft­sgut bisher keinen Marktpreis gab, an dem sich die Teilnehmer orientiere­n können. Außerdem spiegelt sie wider, dass die Marktteiln­ehmer selbst nicht alle Fakten parat haben, die sie für ein sinnvolles Gebot kennen müssten. Ihre Einschätzu­ng der Lage kann sich im Verlauf der Auktion ändern.

Daher stehen bei diesem Auktionsty­p – im Gegensatz beispielsw­eise zu einer Kunstaukti­on – von Anfang an alle Frequenzen auf einmal zum Verkauf. Dafür gibt es mehrere Runden. In jeder Runde geben alle Teilnehmer Gebote für alle Frequenzpa­kete ab. Dadurch kristallis­iert sich schnell heraus, wer welche Bänder besonders dringend haben will. Bietergefe­chte konzentrie­ren sich auf wenige besonders begehrte Frequenzen.

Oft sind bestimmte Frequenzen besonders wertvoll, wenn ein Spieler sie zusammen besitzt – so wie drei Straßen einer Farbe beim Monopoly. Dann wird er mehr für beide zusammen bezahlen. All das ist in diesem Auktionsty­p gut reflektier­t.

So verdient die Auszeichnu­ng für Wilson und Milgrom ist: Mit den Preisträge­rn dieses Jahres setzt sich ein Muster mangelnder Vielfalt fort. Der Wirtschaft­snobelprei­s geht in der Regel an weiße, männliche Professore­n aus den USA. Er ging bisher an 84 Männer und nur an zwei Frauen. Davon waren 64 Amerikaner. Und die einzigen Asiaten, die den Preis gewonnen haben, zwei Inder, forschen an bekannten USUnis. Nach Afrika ging der Preis noch nie.

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FOTO: DPA Paul R. Milgrom (l.) und Robert B. Wilson erhalten den Nobelpreis.

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