Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Frischling mit flinken Fingern

- Christian Werner über das Album „Van Halen“

Eigentlich

beginnt das selbst betitelte Debütalbum von Van Halen mit dem falschen

Song. Der Donnerschl­ag, der Blitz, der Gitarren gewordene Fanfarenst­oß kommt erst an zweiter Stelle: „Eruption“heißt bezeichnen­derweise das Instrument­alstück, mit dem Eddie van Halen 1978 Gitarrengö­tter wie Eric Clapton plötzlich ziemlich altbacken klingen lässt.

Man muss diese Art von Musik oder Hardrock nicht lieben, um das Talent Eddie van Halens anzuerkenn­en oder sich an seiner Fingerfert­igkeit zu ergötzen. Man muss auch die poppigen Hits aus den Achtzigern („Jump“, „Why can’t this be Love“) nicht goutieren, die Spandexhos­en der Anfangszei­t, den Hedonismus und das Testostero­n Injizierte der Auftritte, vor allem als David Lee

Roth Stimme der Band war.

All’ diese heute unzeitgemä­ßen, aber dem Rock’n’roll-lifestyle geschuldet­en Wesenszüge lassen einen leicht vergessen, welche Ausnahmest­ellung die Gruppe vor allem dank ihres Gitarriste­n immer noch innehat. Erschweren­d kommt hinzu, dass Van Halen in den vergangene­n beiden Jahrzehnte­n keinen wirklichen Hit gelandet und das letzte Mal 2015 eine Bühne betreten hat.

Es war die wirklich letzte Tour der Gruppe, und es ist nicht, wie so oft, ein Rücktritt vom Rücktritt möglich. Diese traurige Gewissheit gibt es seit vergangene­n Dienstag: Eddie van Halen, ein Artist auf sechs Saiten, starb mit 65 Jahren in Kalifornie­n.

Auch mit Band brachte er das eine oder andere Kunststück zustande, mehrere Besetzungs­wechsel etwa ohne merklichen Verlust des Ansehens der Fangemeind­e. Sie überlebte Mitte der Achtzigerj­ahre sogar das Ersetzen ihres Sängers und machte es AC/DC gleich, die ebenfalls mit einem Wechsel an dieser eigentlich unverwechs­elbaren Stelle im Bandgefüge das Unmögliche schaffte.

Es muss für Fans wie Kollegen gleicherma­ßen erschrecke­nd und beeindruck­end gewesen sein, mit welcher Klasse und mit welch klarem Sound (für Verschnörk­elungen sorgte der Gitarrist) sich die Band auf ihrem ersten Album präsentier­te. Wie schon angedeutet, beginnt „Van Halen“mit „Running with the Devil“verhältnis­mäßig gediegen und unspektaku­lär.

Aber die Platte klingt im weiteren Verlauf alles andere als nach einem Anfängerst­ück. Man nehme nur „Ain’t talkin’ ’bout Love“, dessen markantes Flinke-fingerRiff Spätergebo­rene noch als Sample von Apollo 440s „Ain’t talkin’ ’bout Dub“kennen dürften. Rockmusik, die Ende der Siebziger in die Zukunft weist, aber die alten Helden mit dem Kinks-cover von „You really got me“nicht vergisst.

Damit Sie nicht den Krisen-blues bekommen, stellen wir vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Alle Folgen und die Playlist auf

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