Vom Holzsitz in Reihe 1 bis zur Loge
Die Plattform „Kino in der DDR“ist eröffnet. Uni-forscher suchen Details und setzen auf Erinnerungen
Erfurt. Eine leere Deutschlandkarte wartet darauf befüllt zu werden. Doch sind es nicht die Städte, die darauf fehlen, sondern die Kinos, die es zu Ddr-zeiten in den Orten und Dörfern gegeben hat. Mit diesem Projekt ist die Forschungsgruppe „Kino in der DDR“am Samstag offiziell an den Start gegangen und hat die Plattform mit der noch leeren virtuellen Kinolandkarte für die Öffentlichkeit freigeschaltet. „Die Informatiker in unserem Team haben in den letzten Monaten hart an der Seite gearbeitet. Daher ist die Freude groß, nun die funktionsfähige Plattform präsentieren zu können“, wie Patrick Rössler als einer von drei Projektleiter sagt.
Die Funktionsweise soll dabei möglichst intuitiv sein. „Nach der Anmeldung hat man die Deutschlandkarte vor sich und kann an den Standort klicken, an dem man das Kino, was man kennt, setzen möchte. Danach öffnet sich ein Fenster, in dem man alle möglichen Informationen zu dem Lichtspielhaus eingeben kann. Der Name ist wichtig und auch die Straße. Diese beiden Angaben sind besonders interessant für uns, da sich Kinonamen und Straßenbezeichnungen häufig geändert haben“, erklärt der Projektkoordinator René Smolarski. Daneben können aber auch zahlreiche andere Details bestimmt werden, die von der Anzahl der Säle und Sitzplätze – selbst ob diese aus Holz oder Samt waren – über die Art des Kinos von Wanderkino bis Filmklub, baulichen Veränderungen und der Kinoausstattung berichten.
Alte Filme wecken Erinnerungen an die Zeit, in der sie gesehen wurden „Es wäre schön, wenn so viele Felder wie möglich ausgefüllt werden können“, so Smolarski. „Aber uns ist bewusst, dass das nicht immer geht, weil man sich an viele Details nicht mehr so gut erinnert. Für solche Fälle reicht dann der Standort und der Name des Kinos. Denn wenn der Punkt auf der Karte gesetzt ist, kann ja vielleicht ein anderer Nutzer die fehlenden Daten hinzufügen. Auf diese Weise wird die Karte gemeinschaftlich mit Wissen rund um die Kinos der DDR befüllt.“Was viele der Gäste der Veranstaltung zum Release der Plattform berichten ist, dass es zu DDRZeiten viel mehr Filmtheater in den Städten gab, so dass die Auswahl groß und die Kinobesuche häufig waren. Auch an die Filme, die gesehen wurden, erinnert man sich oft. „Die Filme haben früher ganz anders erzählt als heute. Und es ist ein besonderes Gefühl, diese Filme aus heutiger Sicht zu sehen. Da kommen nicht nur die Erinnerungen an die Kinos zurück, sondern auch an die ganze Zeit, in der man die Filme gesehen hat“, wie eine der Besucherinnen der Veranstaltung am vergangenen Samstag im Haus Dacheröden schildert.
Das Projekt soll über Erfurt hinausgehen
Dass das Projekt ein digitales Unterfangen ist, öffnet das bürgerwissenschaftliche Vorhaben für alle Interessierten über die Grenzen Erfurts hinaus, stellt für einige jedoch auch eine Hürde dar: „Wir versuchen, das analoge Interesse in ein digitales umzuwandeln. Damit wenden wir uns an Menschen, die Kino in der DDR erlebt haben und uns ihre Erinnerung bereitstellen. Da ist es in den höheren Altersklassen manchmal schwierig, die Onlineplattform zu bedienen. Aber vielleicht gibt es ja im Verwandten- und Freundeskreis die Möglichkeit, die Plattform gemeinsam zu bedienen und darüber über die Erlebnisse von früher ins Gespräch zu kommen“, erklärt der Historiker
Um die Plattform bekannter zu machen und die Interessierten und Hobbyforscher mit ins virtuelle Boot zu holen, denke man derzeit auch über erneute Veranstaltungen nach, was durch die Corona-pandemie allerdings erschwert wird „Wir haben auch angefangen, Interviews zu führen, in denen uns die Menschen von ihren Kinoerfahrungen berichten und die wir als Blogbeiträge auf die Plattform zum Nachlesen hochladen. Aber das muss durch die aktuellen Umstände derzeit pausieren. Wir hoffen natürlich, dass sich die Lage entspannt und wir so wieder mit den Interessierten in einen persönlicheren Austausch kommen können“, so Smolarski. Bis dahin freuen sich die Teammitglieder, bestehend aus Historikern, Kommunikationswissenschaftlern und Informatikern, auf die ersten Einträge auf der Kinolandkarte.
Die Plattform „Kino in der DDR“sowie Informationen zum Projekt gibt es unter: https://projekte.uni-erfurt.de/ddr-kino. Bei Fragen ist das Team per E-mail an kino-ddr@uni-erfurt.de und telefonisch unter 0361/7 37 44 92 zu erreichen.