Wie Steuerzahler ihren Bescheid prüfen
Das Finanzamt muss Abweichungen zu den gemachten Angaben erläutern. Oft lohnt sich auch ein Einspruch
Berlin. Das Finanzamt erstattet weniger Steuern als gedacht? Dann kann es sich lohnen, den Bescheid genau zu prüfen. Besonders einfach geht das, wenn Bürgerinnen und Bürger ihre Steuererklärung mithilfe einer Steuersoftware mit der Funktion Bescheidprüfung elektronisch erstellt haben. Damit können Abweichungen zwischen Angaben und Bescheid einfach festgestellt werden. Oft erkennt das Finanzamt zum Beispiel nur einen Teil der angesetzten Werbungskosten an, etwa bei doppelter Haushaltsführung. Oder es streicht diese ganz, etwa beim häuslichen Arbeitszimmer. Wichtig: Eine solche Abweichung muss im Erläuterungsteil des Bescheids erwähnt werden.
Auf Urteile achten
Das Finanzamt hat den pauschalen Gesundheitsbonus der Krankenkasse trotz eines Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Mai 2020 (Az. X R 16/18) bei den Sonderausgaben abgezogen? Dann ist das eventuell nicht rechtens. Denn möglicherweise muss der pauschale Bonus aufgeteilt werden – in einen Teil für Beitragserstattung und einen für die Kostenerstattung. Hat die Kasse nur die selbst getragenen Kosten für Gesundheitsmaßnahmen erstattet, etwa die Zahnreinigung, darf das Finanzamt die Vorsorgeaufwendungen nicht kürzen, hat der BFH entschieden.
Das ist nur einer von vielen möglichen Gründen, weshalb Steuerzahler innerhalb eines Monats schriftlich Einspruch gegen ihren Bescheid einlegen können. Denn die
Finanzämter lassen sich viel Zeit, steuerzahlerfreundliche Urteile von sich aus umzusetzen. Schließlich müssen sie ein Urteil erst dann allgemein anwenden, wenn es von der Finanzverwaltung im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde. Manche Urteile aber werden nie veröffentlicht. Oder es gibt sogar einen Nichtanwendungserlass des Bundesfinanzministeriums. Dann gilt die Gerichtsentscheidung nur für den Einzelfall.
Im Idealfall machen sich Steuerzahler selbst über vorteilhafte Urteile schlau und weisen ihren Finanzbeamten proaktiv auf neuere Urteile hin, von denen sie profitieren können. Solche Verfahren samt Aktenzeichen finden sich im Internet auf Finanztip.de im Ratgeber zum Steuerbescheid.
Fehler bei der Belehrung
Manche Finanzämter machen nicht nur Fehler beim Berechnen der Steuer, sondern auch in der Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bescheids. Fehlt da nämlich der Hinweis, dass der Einspruch auch elektronisch eingelegt werden kann, hat der Steuerzahler nicht nur einen Monat, sondern sogar ein ganzes Jahr Zeit für einen Einsen zuständig sind. In über 64 Prozent der Fälle waren die Steuerzahler erfolgreich. In der Statistik heißt das „Erledigung durch Abhilfe“. Gemeint ist damit, dass der Bescheid danach geändert wurde.
n Erfolglos sind nach der Statistik nur rund 14 Prozent der Einsprüche. In gut 21 Prozent der Fälle hat der Steuerpflichtige seinen Einspruch zurückgenommen.
kus berechnet ab dem 16. Monat der Fälligkeit zusätzlich 0,5 Prozent pro Monat, also 6 Prozent im Jahr. Umgekehrt können Steuerzahler im Erstattungsfall Zinsen vom Finanzamt bekommen. Diese müssen sie als Kapitalerträge in der Anlage KAP angeben und mit 25 Prozent Kapitalertragsteuer versteuern, zuzüglich Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls Kirchensteuer.
Einspruch oder Änderung?
Ein Einspruch kann auch nach hinten losgehen. Finanzbeamte schauen sich womöglich den kompletten Steuerfall noch mal an und finden vielleicht Dinge, die bisher nicht aufgefallen waren. Sie dürfen dann sogar mehr Steuern verlangen. Das nennt sich „Verböserung“. Immerhin: Das Finanzamt muss den Steuerzahler auf so einen Fall hinweisen. Er kann dann seinen Einspruch zurückziehen und stattdessen eine „schlichte Änderung“beantragen. Dann prüft das Amt nur den einen Punkt im Bescheid, den der Bürger bemängelt.
Manchmal ist es besser, gleich auf eine schlichte Änderung zu setzen: Wenn es nur um Kleinigkeiten geht, etwa eine vergessene Handwerkerrechnung, die man dem Finanzamt nachmelden will. Auch wenn ein Mieter vom Vermieter jetzt erst die Nebenkostenabrechnung bekommt, die Handwerkerkosten und haushaltsnahe Dienstleistungen enthält, kann er diese beim Finanzamt nachreichen und dafür eine Steuerermäßigung bekommen.
Wenn das Amt irrt
Im Steuerbescheid steht auch, ob dieser „unter Vorbehalt“steht oder teilweise vorläufig ist. Das heißt: In manchen Fällen kann das Finanzamt einen Bescheid auch von sich aus ändern. Wenn aber alles richtig und vollständig erklärt wurde, das Finanzamt sich aber zugunsten des Steuerzahlers geirrt hat, dann bleibt das auch so. Das Amt darf sich nicht ein Jahr später melden und Steuern nachfordern. So konnte sich etwa ein Selbstständiger über ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 14. Januar 2020 freuen (Az. VIII R 4/17). Das Finanzamt vergaß, seine Anlage S einzuscannen – und so musste er auf Einkünfte von 129.000 Euro keinen Cent Steuern zahlen.
Dieser Beitrag erscheint in einer Kooperation mit finanztip.de. Der VerbraucherRatgeber ist Teil der Finanztip Stiftung.