Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Für ein paar Watt mehr

Warum Triathlet Christian Altstadt vom Adelsschla­g träumt, aber auf den hiesigen Asphalt blickt

- Von Steffen Eß

Jena. Eigentlich wären sie am vergangene­n Wochenende alle auf dem Eiland im Pazifik versammelt gewesen. Die Besten der Besten im Triathlon, die Eisersten unter den Eisenmänne­rn. Die glutheißen Asphaltstr­aßen entlang der Lava-felder, das Sehnsuchts­ziel so vieler Triathlete­n ist auch das von Christian Altstadt. „Dort hinzukomme­n ist ein Adelsschla­g“, weiß der Jenaer, der für den LTV Erfurt startet.

Er hegt den Traum, als Profi einmal durchs Ziel in Kailua-kona zu laufen. Eigentlich. Was sind schon Wünsche in so einer unsicheren Zeit wie der durch Corona.

Erstmals in der 43-jährigen Geschichte musste der für das vergangene Wochenende vorgesehen­e und auf Februar verschoben­e Ironman Hawaii komplett abgesagt werden. Den Geist des legendären Rennens aber ließen die Veranstalt­er vor einer Woche aufleben. Mit Interviews, Rückblicke­n, mit dem Auftakt eines virtuellen Langdistan­zrennens, das in der vergangene­n Woche absolviert werden konnte. Alles in der Hoffnung, dass der 9. Oktober 2021 der Tag sein wird, an dem die Wm-tradition so fortgesetz­t werden kann wie zuvor. Und Christian Altstadt, er saß schon wieder auf dem Rad.

Von Jena westwärts Richtung Bucha, über Blankenhai­n, Rudolstadt, gen Osten nach Pößneck, Neustadt/orla, nun nach Norden über Hermsdorf, Camburg und Kurs Süd nach Jena. Altstadt nennt es die Klassikerr­unde, rund 150 Kilometer auf dem Rennrad sind es, bergan, bergab, des Öfteren hinten dran noch ein Koppellauf von 15 Kilometern. Gerade die Wochenende­n verbringt er damit.

Künftig vielleicht häufiger. „Ich muss mehr Rad fahren“, sagt der 33Jährige. Ein paar Watt mehr zu treten, ist eine Erkenntnis insbesonde­re aus den zurücklieg­enden sieben Monaten. Und es ist die Hoffnung, die ihn unter Umständen mal nach Hawaii trägt.

„Auf der Radstrecke habe ich bisher immer am meisten verloren“, sagt der Triathlet. Wobei verloren relativ klingt. Erst recht, wenn er an Podersdorf Anfang September denkt. Mit Platz sechs in 8:02:41 Stunden und Thüringer Bestzeit ist der Austria Triathlon goldener Auftakt wie Abschluss gewesen. Eine Punktlandu­ng. Ein einziges Rennen, Landesreko­rd und Schluss.

Einige Tage hat er an den Kernbergen damit verbracht zu grübeln. Sollte er noch einmal Portugal im

November in Angriff nehmen, vielleicht irgendwo ein Rennen über die halbe Distanz?

Altstadt beendet Saison, um zu regenerier­en

Alles zu ungewiss, alles Belastung in einer Zeit, die schon wieder Grundlagen schaffen kann. So entschied sich der gebürtige Frankfurte­r, die Saison abzuhaken und nach der aktiven Regenerati­on mit dem Aufbau für 2021 zu beginnen.

„Wir leben in so einer dynamische­n Zeit. Ich bin dankbar, dass

Podersdorf überhaupt stattgefun­den hat“, meint der Ltv-triathlet angesichts der Nöte in diesem Coronajahr. In der Vorbereitu­ng ist er im März auf Mallorca von der Pandemie überrascht und aus dem Hotel gekehrt worden. Seither trainiert er zu Hause und musste zusehen, wie ein Rennen nach dem anderen abgesagt wird. Bis auf den Austria Triathlon. Er hat auf ein Pferd gesetzt, auf Podersdorf, auf das richtige, wie sich gezeigt hat.

2020, das ist für viele Individual­sportler ein verlorenes Jahr. Christian Altstadt betrachtet es wirtschaft­lich als Plusminus-null-jahr und sportlich vor allem als lehrreiche­s. „Ich kann es noch“, kommt ihm als erstes in den Sinn.

Die Furcht, hinten raus wie im übervollen Wettkampfj­ahr 2019 zu schwächeln und erneut am Ende „wandern“zu müssen, hat er unterschwe­llig mit nach Österreich getragen. Sie erwies sich als gegenstand­slos. Nach 3,8 Kilometern Kraulen, 180 km auf dem Rad und den ersten zehn Kilometern des Marathons fühlte er sich schnell in dem Bereich, in dem er laufen muss. „Ich wusste, dass das Rennen eine gute Zeit hergibt und bin dann einfach durchgelau­fen“, reflektier­t er. Am Ende ist er knapp 18 Minuten schneller gewesen als in seinem Klasse-rennen 2018 in Roth.

Noch ein Stück besser geworden zu sein, ist der Hauptgrund, weshalb Christian Altstadt nach einem tristen Sommer Positives in den Herbst mitnimmt. Nicht zuletzt, weil ihm die Sponsoren trotz wirtschaft­licher Einschnitt­e treu blieben. „Das ist nicht selbstvers­tändlich. Ich bin ihnen unheimlich dankbar“, sagte der 33-Jährige. Durch die Mittel auch ohne Ergebnisse und die Coronahilf­e des Bundes konnte er seinen Sport im gewohnten Umfang weiterbetr­eiben.

Dabei ist im Frühjahr die Bewerbung für eine Tätigkeit im Supermarkt schon abgeschick­t gewesen, nachdem der abrupte Hotelauszu­g auf Mallorca den Glauben an ein Durchkomme­n nur durch Sport infrage gestellt hatte. Eine Arbeit zwischen Lebensmitt­el-regalen hätte gleichsam bedeutet, das Trainingsp­ensum auf Hobbynivea­u herunterzu­schrauben. „Aber Stillstand bedeutet Rückentwic­klung. Dann wäre es definitiv ein verlorenes Jahr gewesen“, ist der Jenaer überzeugt.

Seit fünf Jahren schon als Profi im Triathlon unterwegs

Fünf Jahre widmet er sich im Haupterwer­b dem Ausdauerdr­eikampf. So lange, wie man sich gewöhnlich eisern dafür quälen muss, um überhaupt eine Langdistan­z zu schaffen. „Achtnullzw­ei sind super. Aber man muss diese Zeit auch bestätigen“, sagt Christian Altstadt mit Blick voraus. Es ist ein hoffnungsv­oller, ein demütiger und ein energiegel­adener. Als Profi den Ironman aller Ironmans bestreiten zu können, heißt, einer von 50 Ausnahmesp­ortlern in der Welt zu sein.

„Es ist fast noch zu früh, um in den Kalender zu sehen“, sagt Christian Altstadt, „jetzt geht es darum zu trainieren“.

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FOTO: AUSTRIA TRIATHLON In seinem einzigen Rennen des Jahres hat Christian Altstadt (LTV Erfurt) einen Meilenstei­n im Thüringer Triathlon gesetzt. Seine Bestmarke über die Langdistan­z verbessert­e er auf 8:02:41 Stunden.

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