Für ein paar Watt mehr
Warum Triathlet Christian Altstadt vom Adelsschlag träumt, aber auf den hiesigen Asphalt blickt
Jena. Eigentlich wären sie am vergangenen Wochenende alle auf dem Eiland im Pazifik versammelt gewesen. Die Besten der Besten im Triathlon, die Eisersten unter den Eisenmännern. Die glutheißen Asphaltstraßen entlang der Lava-felder, das Sehnsuchtsziel so vieler Triathleten ist auch das von Christian Altstadt. „Dort hinzukommen ist ein Adelsschlag“, weiß der Jenaer, der für den LTV Erfurt startet.
Er hegt den Traum, als Profi einmal durchs Ziel in Kailua-kona zu laufen. Eigentlich. Was sind schon Wünsche in so einer unsicheren Zeit wie der durch Corona.
Erstmals in der 43-jährigen Geschichte musste der für das vergangene Wochenende vorgesehene und auf Februar verschobene Ironman Hawaii komplett abgesagt werden. Den Geist des legendären Rennens aber ließen die Veranstalter vor einer Woche aufleben. Mit Interviews, Rückblicken, mit dem Auftakt eines virtuellen Langdistanzrennens, das in der vergangenen Woche absolviert werden konnte. Alles in der Hoffnung, dass der 9. Oktober 2021 der Tag sein wird, an dem die Wm-tradition so fortgesetzt werden kann wie zuvor. Und Christian Altstadt, er saß schon wieder auf dem Rad.
Von Jena westwärts Richtung Bucha, über Blankenhain, Rudolstadt, gen Osten nach Pößneck, Neustadt/orla, nun nach Norden über Hermsdorf, Camburg und Kurs Süd nach Jena. Altstadt nennt es die Klassikerrunde, rund 150 Kilometer auf dem Rennrad sind es, bergan, bergab, des Öfteren hinten dran noch ein Koppellauf von 15 Kilometern. Gerade die Wochenenden verbringt er damit.
Künftig vielleicht häufiger. „Ich muss mehr Rad fahren“, sagt der 33Jährige. Ein paar Watt mehr zu treten, ist eine Erkenntnis insbesondere aus den zurückliegenden sieben Monaten. Und es ist die Hoffnung, die ihn unter Umständen mal nach Hawaii trägt.
„Auf der Radstrecke habe ich bisher immer am meisten verloren“, sagt der Triathlet. Wobei verloren relativ klingt. Erst recht, wenn er an Podersdorf Anfang September denkt. Mit Platz sechs in 8:02:41 Stunden und Thüringer Bestzeit ist der Austria Triathlon goldener Auftakt wie Abschluss gewesen. Eine Punktlandung. Ein einziges Rennen, Landesrekord und Schluss.
Einige Tage hat er an den Kernbergen damit verbracht zu grübeln. Sollte er noch einmal Portugal im
November in Angriff nehmen, vielleicht irgendwo ein Rennen über die halbe Distanz?
Altstadt beendet Saison, um zu regenerieren
Alles zu ungewiss, alles Belastung in einer Zeit, die schon wieder Grundlagen schaffen kann. So entschied sich der gebürtige Frankfurter, die Saison abzuhaken und nach der aktiven Regeneration mit dem Aufbau für 2021 zu beginnen.
„Wir leben in so einer dynamischen Zeit. Ich bin dankbar, dass
Podersdorf überhaupt stattgefunden hat“, meint der Ltv-triathlet angesichts der Nöte in diesem Coronajahr. In der Vorbereitung ist er im März auf Mallorca von der Pandemie überrascht und aus dem Hotel gekehrt worden. Seither trainiert er zu Hause und musste zusehen, wie ein Rennen nach dem anderen abgesagt wird. Bis auf den Austria Triathlon. Er hat auf ein Pferd gesetzt, auf Podersdorf, auf das richtige, wie sich gezeigt hat.
2020, das ist für viele Individualsportler ein verlorenes Jahr. Christian Altstadt betrachtet es wirtschaftlich als Plusminus-null-jahr und sportlich vor allem als lehrreiches. „Ich kann es noch“, kommt ihm als erstes in den Sinn.
Die Furcht, hinten raus wie im übervollen Wettkampfjahr 2019 zu schwächeln und erneut am Ende „wandern“zu müssen, hat er unterschwellig mit nach Österreich getragen. Sie erwies sich als gegenstandslos. Nach 3,8 Kilometern Kraulen, 180 km auf dem Rad und den ersten zehn Kilometern des Marathons fühlte er sich schnell in dem Bereich, in dem er laufen muss. „Ich wusste, dass das Rennen eine gute Zeit hergibt und bin dann einfach durchgelaufen“, reflektiert er. Am Ende ist er knapp 18 Minuten schneller gewesen als in seinem Klasse-rennen 2018 in Roth.
Noch ein Stück besser geworden zu sein, ist der Hauptgrund, weshalb Christian Altstadt nach einem tristen Sommer Positives in den Herbst mitnimmt. Nicht zuletzt, weil ihm die Sponsoren trotz wirtschaftlicher Einschnitte treu blieben. „Das ist nicht selbstverständlich. Ich bin ihnen unheimlich dankbar“, sagte der 33-Jährige. Durch die Mittel auch ohne Ergebnisse und die Coronahilfe des Bundes konnte er seinen Sport im gewohnten Umfang weiterbetreiben.
Dabei ist im Frühjahr die Bewerbung für eine Tätigkeit im Supermarkt schon abgeschickt gewesen, nachdem der abrupte Hotelauszug auf Mallorca den Glauben an ein Durchkommen nur durch Sport infrage gestellt hatte. Eine Arbeit zwischen Lebensmittel-regalen hätte gleichsam bedeutet, das Trainingspensum auf Hobbyniveau herunterzuschrauben. „Aber Stillstand bedeutet Rückentwicklung. Dann wäre es definitiv ein verlorenes Jahr gewesen“, ist der Jenaer überzeugt.
Seit fünf Jahren schon als Profi im Triathlon unterwegs
Fünf Jahre widmet er sich im Haupterwerb dem Ausdauerdreikampf. So lange, wie man sich gewöhnlich eisern dafür quälen muss, um überhaupt eine Langdistanz zu schaffen. „Achtnullzwei sind super. Aber man muss diese Zeit auch bestätigen“, sagt Christian Altstadt mit Blick voraus. Es ist ein hoffnungsvoller, ein demütiger und ein energiegeladener. Als Profi den Ironman aller Ironmans bestreiten zu können, heißt, einer von 50 Ausnahmesportlern in der Welt zu sein.
„Es ist fast noch zu früh, um in den Kalender zu sehen“, sagt Christian Altstadt, „jetzt geht es darum zu trainieren“.