Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Im schwarzen Land

Bei der Landtagswa­hl 1990 gewann die CDU alle Direktmand­ate. Verlierer waren die Bürgerrech­tler

- Von Martin Debes

Erfurt. Das Interesse des selbstbefr­eiten Volkes an der Demokratie war im Herbst 1990 schon wieder etwas gesunken. Oder, das ist die freundlich­ere Interpreta­tion: Es hatte sich schon an sie gewöhnt.

So oder so: Im März 1990 hatten noch 93,4 Prozent der wahlberech­tigten Menschen in der DDR zum ersten und letzten Mal frei und geheim die Volkskamme­r gewählt. Nun, am 14. Oktober, beteiligte­n sich knapp 72 Prozent der NeuBundesb­ürger in Thüringen an der Abstimmung über den Landtag. Das Land, das 1952 in drei Bezirke zerteilt wurde, war damit endgültig rekonstitu­iert.

Der Wahlsieg der gewendeten Union wirkte nach den Umfragen gewiss. Die SPD hatte sich zwar alle Mühe gegeben, die Vergangenh­eit des Cdu-spitzenkan­didaten („Duchač – ein Mann mit Vergangenh­eit, aber ohne Zukunft“) zu thematisie­ren. Doch die Sozialdemo­kraten besaßen ihr eigenes Personalpr­oblem: Sie hatten mit Friedhelm Farthmann eine Nummer 1 aus Nordrhein-westfalen importiert, der im Unterschie­d zum Cdu-bewerber Kurt Biedenkopf in Sachsen kaum ankam. Und: Sie hatten keinen Helmut Kohl, der für die CDU mehrere Wahlkampft­ermine absolviert­e.

Die Klarheit des Ergebnisse­s überrascht­e trotzdem. Die CDU gewann alle 44 Wahlkreise und 45,4 Prozent der Zweitstimm­en, die SPD kam nur auf etwa die Hälfte. Die PDS, die ein Jahr zuvor noch SED hieß, landete bei fast zehn Prozent, nur knapp vor der FDP.

Verloren hatte die alte DDR-OPposition. Das Neue Forum, Demokratie Jetzt und die Grünen schafften es mit einer gemeinsame­n Liste gerade so in den Landtag – der sich rasch im Nationalth­eater Weimar konstituie­rte und Gottfried Müller (CDU) zum Präsidente­n wählte.

Nachdem schon alle Landräte und die meisten Bürgermeis­ter der CDU angehören, gab es nur einen Schönheits­fehler für die Union: Da ihr für die absolute Mehrheit im Landtag eine Stimme fehlte, brauchte sie zum Regieren die FDP..

In Thüringens erstem Nachwende-landtag, gewählt elf Tage nach der Wiedervere­inigung, verfehlte die CDU die absolute Mehrheit nur knapp.

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