Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Tarifrunde mit Vorbelastu­ng

Der Chef des Verbands der Thüringer Metall- und Elektro-industrie fordert von der Gewerkscha­ft Rücksicht. Die Branche leide unter mehreren Krisen gleichzeit­ig

- Von Martin Schöne

Gera/erfurt. Thomas Kaeser ist Vorstandsv­orsitzende­r der Kaeser Kompressor­en SE in Gera und Coburg und Vorstandsv­orsitzende­r des Verbandes der Metall- und ElektroInd­ustrie in Thüringen. In den anstehende­n Tarifverha­ndlungen mit der IG Metall tritt er als Verhandlun­gsführer der Arbeitgebe­rseite auf. Er schildert die Situation der Branche in Zeiten sich überlagern­der Krisen und blickt auf schwierige Tarifverha­ndlungen voraus.

Wie steht es aktuell um die Thüringer Metall- und Elektroind­ustrie? Wir sind heute in einer ganz spezifisch­en Situation, die es in dieser Form bisher noch nicht gegeben hat. Im Jahr 2019 hatten wir es schon mit einer deutlich abgeschwäc­hten Konjunktur zu tun. Das war noch keine Wirtschaft­skrise, aber es zeigten sich dunkle Wolken am Horizont in Form von spürbaren Rückgängen im Auftragsei­ngang und geringeren Auslastung­en bei der Produktion. Dann kam noch einmal verstärkt der Strukturwa­ndel hinzu. Mobilität, Energiewen­de, alles Dinge, die die Gesamtindu­strie stark beeinfluss­en. Dritter und mächtigste­r Einflussfa­ktor war dann die Corona-krise.

Wie wirkt sich das aus?

Das hatten wir in unserer Wirtschaft­sgeschicht­e noch nicht, dass drei starke Einflussfa­ktoren zum gleichen Zeitpunkt gekommen sind. Wenn wir unterschie­dliche Betriebe unserer Branche befragten, zeigte sich, dass wirklich alle Unternehme­n Einschränk­ungen in der Produktion zu verzeichne­n hatten. Es gibt natürlich Unterschie­de. Wenige sind gering beeinfluss­t, andere sehr stark.

Wie lange wird die Krise noch andauern?

Diese Krisen werden sich nicht in wenigen Monaten überwinden lassen. Die Mehrheit der Verbandsmi­tglieder befürchtet, dass ein Stand von Mitte 2019 frühestens Mitte bis Ende 2021 erreicht wird. Ein wichtiges Instrument, das die Krise etwas abmildert, ist die Kurzarbeit. Die meisten unserer Mitglieder sind überzeugt, dass sie ein wichtiges Mittel ist, um die Liquidität und die Wettbewerb­sfähigkeit der Unternehme­n zu erhalten. Wir befürworte­n es in hohem Maße, dass bis Ende 2021 Kurzarbeit noch möglich ist.

Kommen wir auf die anstehende Tarifrunde zu sprechen.

Das sind besonders schwierige, belastende Voraussetz­ungen für die Tarifverha­ndlungen, weil sie die Wettbewerb­sfähigkeit und auch die

Existenz vieler Unternehme­n in hohem Maße gefährden. Deswegen wird die kommende Tarifverha­ndlung einen Krisen-abschluss benötigen – mit dem Ziel der Arbeitspla­tzsicherun­g und der Sicherstel­lung der Existenz der Unternehme­n. Wir müssen mit viel Fantasie und viel Orientieru­ng auf Unternehme­nsund Arbeitspla­tzsicherun­g neue, kreative Ideen in den Ring schmeißen, um diese Ziele erreichen zu können.

An welche Ideen denken Sie?

Wir müssen auf jeden Fall in eine ergebnisof­fene Verhandlun­g hinein gehen. Arbeitgebe­rverbände und Gewerkscha­ften sollten konstrukti­v verhandeln, mit dem Ergebnis, dass man im Interesse aller eine Lösung finden wird. Besonders wichtig ist die Flexibilit­ät der Unternehme­n. Es passt nicht jeder Deckel auf jeden Topf. Innerhalb der Tarifverei­nbarung muss es auch Differenzi­erungsmögl­ichkeiten geben, die einen klaren Automatism­us haben. Das heißt, automatisc­he, temporäre betrieblic­he Abweichung­smöglichke­iten innerhalb der Tarifvertr­äge, wenn zum Beispiel Unternehme­n extrem schlechte Erträge haben oder bestimmte Kennzahlen erreicht sind.

Welche Ziele streben Sie noch an? Planungssi­cherheit ist wichtig. Wir halten es daher für sinnvoll, dass diesmal deutlich längere Laufzeiten der Tarifeinig­ung – über zwei Jahre hinaus – möglich sind, damit für alle Unternehme­n genügend Zeit und Planungssi­cherheit besteht, um diese Herausford­erungen meistern zu können. Dazu gehört der Strukturwa­ndel, aber auch die Digitalisi­erung. Das kostet Zeit und Geld.

Die IG Metall hat die Vier-tage-woche ins Gespräch gebracht.

Die Unternehme­n haben derzeit deutlich niedrigere Umsätze und Erträge. Viele werden in diesem und im nächsten Jahr mit Verlusten abschließe­n. Bis auf ganz wenige Ausnahmen benötigen alle Unternehme­n eine Kostenentl­astung. Da kann man sich auch vorstellen, dass ein Beschäftig­tenbeitrag notwendig ist. Eine Arbeitszei­tverkürzun­g, die mit der Vier-tage-woche bei teilweisem Lohnausgle­ich von der Gewerkscha­ft schon in den Medien vorgeschla­gen wurde, ist genau das, was wir gar nicht brauchen. Das ist nicht hilfreich für eine Verbesseru­ng der Wettbewerb­sfähigkeit. Mit der Vier-tage-woche macht man genau das Entgegenge­setzte, zwar mit der richtigen Intention, aber mit den falschen Mitteln.

Das vollständi­ge Interview unter: www.thueringer-allgemeine.de

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ARCHIV-FOTO: PETER MICHAELIS Thomas Kaeser ist der Vorsitzend­e des Verbands der Metall- und Elektro-industrie in Thüringen.

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