Alt wie ein Baum möchte ich werden … Aus der Seniorenredaktion
Kritische Gedanken zum Umgang mit alten Menschen in der heutigen Gesellschaft
Die „Alten“, die dieses Land mit vielen Entbehrungen aufgebaut haben, müssen jetzt zusehen, wie vieles, was sie auf den Weg gebracht haben, auf der Strecke bleibt.
Das soll aber nicht heißen, dass sie die Ewiggestrigen sind. Sie nehmen am Leben, solange es ihnen möglich ist, aktiv teil. Deshalb sehen sie auch mit Sorge, wie sich das Leben verändert. Das beginnt bei den ungleichen Löhnen und Renten, fehlenden Kindergarten-plätzen, der mangelhaften Schulbildung unserer Kinder und Enkel. Die fehlenden Lehrer, der fehlende Einsatz moderner Technik tun ein Übriges. Es wirkt vielleicht im Moment noch nicht so akut, aber es kommt.
Wie stellen sich die verschiedenen gesellschaftlichen Bereiche auf den demografischen Wandel, den Faktor der immer älter werdenden Menschen ein? Das Land Thüringen hat mit seinem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland, wie alle anderen neuen Bundesländer auch, das Grundgesetz übernommen. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“steht da. Der Anspruch des Handelns der Politik und aller anderen Bereiche, die Differenzierung von Menschen mit Behinderung, körperlichen Einschränkungen, ob gebildet oder weniger gebildet, alle haben den Anspruch auf Gleichbehandlung.
Als ich Herrn Beier kennenlernte, wusste ich nur, dass er einen Fahrdienst, einen „Sozialen Dienstleistungs-service“, betreibt. Eine Aufgabe, die ihm gut gefällt und ausfüllt. Das Spektrum ist anspruchsvoll … Aber das ganze Drumherum macht nicht nur ihn unzufrieden. Gut durchdachte und initiierte Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) greifen nur teilweise oder laufen ins Leere. Seit dem Jahr 2000 gibt es ein parlamentarisches Bündnis, in dem sich Vereine, Institutionen, der Hörgeschädigten-verband und viele andere zusammengeschlossen haben. Die Initiative „Selbstbestimmt Leben“ist ein Angebot nicht nur für Behinderte im Rollstuhl. Es ist ein Angebot, welches Kontakte zu allen Menschen mit Einschränkungen sucht, um Hilfen im Alltag zu vermitteln. Egal, ob im Haushalt, bei Behördengängen oder einfachen handwerklichen Tätigkeiten.
Viele Vorschläge der Verbände laufen ins Leere
Solche Initiativen gibt es zum Beispiel auch in Nordrhein-westfalen. „Hilfst Du mir, helfe ich Dir“heißt dort das Motto. Ehrenamtliche bieten in ihrem Umfeld Hilfen an, die zum Beispiel ihr Nachbar nicht mehr selbst erledigen kann. Dafür sind keine Zahlungen fällig, sondern eine Gegenleistung, die man noch selbst leisten kann … Ganz individuell. Diese Initiative findet großen Zuspruch.
Auch in Thüringen läuft es ähnlich. Doch Herr Beier erklärt, unsere Angebote werden durch die Politik und das Parlament ungenügend oder gar nicht wahrgenommen. Die großen Vereine werden mit Spenden und Zuschüssen bedacht. Die kleinen gehen leer aus.
Zweimal im Jahr finden im Parlament mit den zugehörigen Fraktionen im Landtag Absprachen mit Verantwortlichen der Vereine statt. Hier werden unter anderem abzugebende Resolutionen besprochen. Das diese zum Beispiel 2004 das Gleichstellungsgesetz für zehn Jahre befristet auf den Weg gebracht haben, ist eigentlich positiv. Aber nach Ablauf dieses Zeitraumes wurde es einfach „entfristet“, sodass es ohne wesentliche Änderungen oder Aktualisierung weiter besteht. Nicht nur der Behindertenbeauftragte des Landes Thüringen beklagt die fehlende Koordination zwischen den Verbänden wie Awo, DRK, Parität und so weiter und den kleinen Vereinen im Rahmen der LAG Selbsthilfe. Auch hier laufen Vorschläge ins Leere, werden durch die Politik nicht umgesetzt oder sogar ignoriert. Es sind gerade die kleinen Vereine, die an der Basis sehr gute Arbeit leisten und die Nöte der Menschen kennen.
Es fehlen Antworten auf die Fragen, die der Seniorenbund in nicht nur einem Brief der Politik stellt. Da, wo die Menschen keine Antworten auf ihre Fragen bekommen, entwickeln sich Spekulationen, Meinungsstreit oder sogar direkte Ablehnung.
Die Bewohner des Landes haben Zukunftsängste. Die „Alten“, die in ihren Wohnungen verbleiben oder in den verschiedensten Wohnformen leben, vereinsamen zunehmend. Für sie ist nicht klar, warum sich ihr Eigenanteil an den Kosten ständig erhöht, obwohl der Service mit den Kosten eine erhebliche Diskrepanz darstellt. Warum sie ein Fall fürs Sozialamt werden, obwohl sie ihr ganzes Leben gearbeitet haben. Man lässt sie einfach im Regen stehen. Sie haben als alte Menschen keine Lobby, sind nur ein Kostenfaktor. Für die Senioren ist mehr als ein Schlag ins Gesicht, dass sich ein Geschäftsführer ein Jahresgehalt von 300.000 Euro genehmigt, die nicht von den Beiträgen der Mitglieder finanziert sind, sondern als Verwaltungskosten bei der Budgetverhandlung deklariert wurden …
„Alt wie ein Baum möchte ich werden“, singen die Puhdys. Ich möchte auch alt werden, in Würde und nicht in Abhängigkeit der Finanzen. Sollte es wirklich dazu kommen, wünsche ich mir gut bezahltes Personal, das auch Zeit für mich hat. Der Beifall, den die systemrelevanten Berufe in der Pandemie bekommen haben, war mehr als berechtigt. Jetzt gilt es, Realitäten zu schaffen und nicht erst, wenn diese auch alt sind. Die Politik wird an ihren Taten gemessen und nicht an ihren Reden.