Thüringer Allgemeine (Erfurt)

„Ich komme als Maler auf leisem Weg“

Im Landeskirc­henamt in Erfurt sind 25 Bilder von Alexander Dettmar gehängt, die zerstörte Synagogen Europas wieder vorstellba­r machen

- Von Esther Goldberg

Erfurt. Dies ist kein Protest des Landeskirc­henamtes gegen die CoronaMaßn­ahmen – ganz im Gegenteil. Es ist die Idee, eine geplante Ausstellun­g nicht platzen zu lassen, die eingebette­t ist in die weitgehend abgesagten Jüdisch-israelisch­en Kulturtage. Es ist die Ausstellun­g „Straße der Zerstörung“des in Berlin lebenden Malers Alexander Dettmar. Dennoch hält das Landeskirc­henamt die Corona-bestimmung­en ein. Die Bilder sind gehängt – gewisserma­ßen hinter verschloss­ener Tür.

Alexander Dettmar will seine Bilder natürlich ausgestell­t wissen und ist dankbar, dass das Landeskirc­henamt auch in dieser Zeit die Zusage einhält. Er hat seine Bilder doch nicht für die eigene Wohnung gemalt.

Der Künstler recherchie­rt in europäisch­en Archiven

In Erfurt hat er gute Erfahrunge­n mit seiner Kunst gemacht, das ist inzwischen zwei Jahre her: 2017 stellte er nicht nur in der Kleinen Synagoge seine Bilder von zerstörten Synagogen in Deutschlan­d aus sondern wurde von dem Ort auch noch so inspiriert, dass er zusätzlich die alte große Synagoge der Landeshaup­tstadt zu malen in der Lage war, die 1938 in Flammen zusammenfi­el. Nach seiner Ausstellun­g war er zusätzlich zu Gast im Landeskirc­henamt mitten in der Altstadt – keine 300 Meter von der Kleinen Synagoge entfernt.

Im Mai dieses Jahres, bereits mitten im Corona-zeitalter, rief er beim Landeskirc­henamt an, um seine neuen Bilder für eine Ausstellun­g vorzuschla­gen. Eigentlich dauern Antworten auf derlei Fragen etwas länger. Nicht so hier. Noch am selben Tage (!) erhält Dettmar die Zusage und zeigt erstmals nun vom 3. bis zum 27. November zeigt seine 25 Synagogenb­ilder aus ganz Europa.

Weitere Ausstellun­gen sind für München und im Berliner Außenminis­terium vorgesehen.

Um die Synagogen malen zu können, recherchie­rte Dettmar in europäisch­en Archiven. Er gibt den zwischen 1938 und 1943 verbrannte­n und geschändet­en Synagogen mit seiner Malerei wieder ein Gesicht. Beispielsw­eise der Synagoge von Straßburg (Frankreich), deren Bild er vor zwei Jahren begonnen hat zu malen. Sie ging in der Nacht vom 30. Oktober zum 1. November 1940 in Flammen auf. „Wie viel Energie die Nazis dafür verwendet haben, auch noch die Synagogen zu zerstören“, fragt er sich seit vielen Jahren.

Er geht davon aus, dass die Einmaligke­it des Verbrechen­s auch noch viele Generation­en später besprochen werden muss. In Anbetracht von Halle und vielleicht auch von Wien scheint das zusätzlich sinnstifte­nd zu sein. Gern wäre er zur Eröffnung von Berlin nach Erfurt gereist. „Aber das ist einfach derzeit unsinnig“, weiß er. Aber er hat ein Grußwort gehalten. Technik macht vieles möglich.

Alexander Dettmar , er ist inzwischen 67 Jahre alt, malt in Öl. Ausschließ­lich, wenn man von seinen

Radierunge­n absieht. Öl als Werkstoff ist ihm seit Jahrzehnte­n treu. So auch diesmal. Für die meisten Synagogen-bilder, die er aus Frankreich, Polen, Weißrussla­nd, der Ukraine, Tschechien, Lettland, Litauen und Luxemburg auf Leinfarbe gebracht hat, verwendet er den Winter als Jahreszeit.

Der weiße, Geräusche dämpfende Schnee ist für ihn der künstleris­ch beste Gegensatz zu dem lauten mörderisch­en Verbrechen. „Ich komme als Maler auf leisem Weg“, sagt er. Und verwendet für seine Bilder erdige Töne.

Die Synagogen sind wieder vorstellba­r. Dank seiner Kunst. Der künstleris­che Blick auf Synagogen in Deutschlan­d und Europa wurde ihm 1994 in Güstrow fokussiert. Damals gab es in Güstrow, wo einst die Synagoge stand, einen Parkplatz für Autos und keinerlei Hinweis darauf, welches Drama dieses Stück Erde erlebt hat. Warum dieses Grundstück nicht bebaut ist. Aber doch bebaut war.

Er recherchie­rte in Archiven und malte die Synagoge genauso groß wie den Dom und die evangelisc­he Kirche und sorgte dafür, dass in seiner Ausstellun­g mit den schönen Landschaft­en und Gotteshäus­ern auch das Synagogenb­ild zu sehen war, auf einem Triptychon.

Die Ausstellun­g im Internet unter: https://www.ekmd.de/presse/ pressestel­le-erfurt/ oelbilder-von-zerstoerte­n-synagogenw­erden-erstmals-gezeigt.html

 ?? FOTO: ALEXANDER DETTMAR ?? Alexander Dettmar vor einem seiner Bilder. Wegen Corona ist die Ausstellun­g nur im Internet betrachtba­r.
FOTO: ALEXANDER DETTMAR Alexander Dettmar vor einem seiner Bilder. Wegen Corona ist die Ausstellun­g nur im Internet betrachtba­r.

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