Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Ein echter Sandkuchen

- Ingo Glase hat den Sommer gebacken

So richtig nach Sommer schmeckte der August nicht. Das wollte ich ändern und war begeistert, als mich eine Geburtstag­storte auf die passende Idee brachte. Nein, die Torte war nicht für mich, ich durfte sie als Gast der Geburtstag­szwillinge Tim und Tom bewundern. Die Torte war als Piratenins­el gestaltet, mit hohen Bergen, einem Strand und kristallkl­arem Wasser davor, auf dem sich kleine Wellen kräuselten …

Ein süßes Kunstwerk. Obwohl ich nicht wirklich backen kann und es nur selten probiere und weil ich meinen Hunger auf Backwerke aller Art wohl in der Kindheit schon gestillt habe, wollte ich das mal versuchen. Denn die begnadete Hobby-bäckerin, eine gelernte Gärtnerin, hatte mir das Geheimnis des Meeres, den Piratensch­atz sozusagen, verraten: Es war Götterspei­se.

Diese darf natürlich nicht in den Teig einsickern, also wird der Meeresbode­n, den man zuvor mit einem Löffel aus dem gebackenen

Teig abgetragen hat, mit weißer Kuvertüre bestrichen. Ich hatte eine Ecke übersehen, daraufhin bildete sich im Kühlschran­k eine grüne Pfütze. Auch Götterspei­se findet ihren Weg. Irgendwann beim Erkalten aber verstopfte der ungewollte Abfluss, und ich konnte den See auffüllen.

Der ausgeschab­te Teig wird mit flüssiger Kuvertüre vermengt und zu kleinen Bergen geformt. In einen habe ich eine Kuchen-fontäne gesteckt, mit roter Zuckerschr­ift die Lava-ströme aufgemalt – und der Vulkan war perfekt.

In der Kaufhalle fand ich Fische, Muscheln und eine Nixe aus Fondant, flugs war der Sandstrand belebt. Mit etwas Mühe bekommt man die Fische sogar in die Götterspei­se geschoben, dann sieht es aus wie ein eingefrore­nes Aquarium.

Nur der Versuch, aus gelber und grüner Götterspei­se ein blaues Wackelmeer zu mischen, schlug fehl, es blieb grün.

Ein echter Strandsand­kuchen. Und er schmeckte nach Sommer.

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