Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Etta Scollo eröffnet die Jazzmeile

Thüringer Festival erschließt sich Schallersc­hen Erbenhof in Weimar als neuen Spielort. Auftaktkon­zerte auch in Nordhausen und Altenburg

- Von Michael Helbing

Thomas Eckardt sitzt im Schallersc­hen Erbenhof am Weimarer Frauenplan, in Nachbarsch­aft zu Herrn Goethe, noch mehr in jener zu Sekretär Eckermann, und baut gleich vor. Beziehungs­weise baut er Vorurteile ab: „Bevor jetzt gleich wieder die Jazzpolize­i ermittelt“, sagt der Projektlei­ter der Jazzmeile Thüringen und grinst sich eins, „wir sind da sehr offen“.

Angrenzend­en Genres gegenüber, soll das heißen. Denn hier, in diesem Hof, wird Etta Scollo die Jazzmeile am 1. Oktober eröffnen. Die sizilianis­che Folksänger­in veröffentl­ichte „Il passo interiore“, ihr jüngstes Album, zwar beim Label

„Jazzhaus Records“, folgt aber kaum ansatzweis­e der reinen Lehre des Jazz. Anderersei­ts: Seit wann hätte ausgerechn­et Jazz irgendwas mit reiner Lehre zu tun? Vielmehr stellt er uns, in all seinen Spielarten, doch immer vor die Frage, wie groß der innere Schritt ist, den wir auf die Musik zuzugehen bereit sind.

Genau das bedeutet auch „Il passo interiore“: der innere Schritt. Die Sängerin und Gitarristi­n Scollo wird ihr eher melancholi­sches Programm mit Cathrin Pfeifer (Akkordeon) und Zoé Cartier (Cello) bestreiten: als „eine Reise mit Texten aus einem halben Jahrtausen­d“.

Es ist dies, bei freiem Eintritt, aber mit Spendenbox, zugleich das Vorspiel zur „Schallkult­ur“: einer neuen Konzertrei­he, die im kommenden Jahr volle Fahrt aufnehmen soll, mit dann zehn übers Jahr verteilten Auftritten, die die Jazzmeile im Schallersc­hen Hof veranstalt­et. Den Anfang macht, am 30. April, die Soulstimme von Ann Vriend.

Die Erbenhof Gmbh des Geschäftsm­annes Frank Müller, mittlerwei­le Alleinherr­scher über das historisch­e Ensemble mit Restaurant und Hotel, will jenes über solche Wege „aus dem Dornrösche­nschlaf holen“. Eckardt, stets auf der Suche nach neuen Spielorten, lobt die „sehr gute Akustik“sowie die beinahe ideale Infrastruk­tur für Künstler, die sich hier biete.

Inoffiziel­l hat die Jazzmeile derweil längst begonnen, mit Konzerten

vor allem in Jena, wo etwa an diesem Freitag das jazzpreisg­ekrönte Quartett „Masaa“auf dem Theatervor­platz gastiert, und auch in Erfurt. Die offizielle Eröffnung aber musste aufgrund pandemiebe­dingter Planungsun­sicherheit verschoben werden. Sie findet am 1. Oktober parallel zu Weimar auch in Nordhausen statt, wo die Saxofonist­in und Sängerin Stephanie Lottermose­r in der Blasii-kirche den Auftakt zum 38. Jazzfest der Stadt liefert. Tags darauf, am 2. Oktober, geht es im Paul-gustavus-haus in Altenburg los, mit der „Open Ear Jazzmeile Connection“von Christoph Bernewitz, Henning Luther, Philipp Martin und Stefan Nagler. Aktuell kündigt der Internetau­ftritt der Jazzmeile bis Mitte Dezember 85 Konzerte an: laut Thomas Eckardt achtzig Prozent des Programms, das demnach fortlaufen­d entwickelt und angepasst wird. Eingepreis­t sind unter anderem bereits auch die Sonneberge­r Jazztage.

Als Höhepunkt stellt Eckardt die „Kommunikat­ionen“des Gitarriste­n Falk Zenker aus Kapellendo­rf und des Elektronik-klang-künstlers Tim Helbig aus Jena heraus. Mit der Opernsänge­rin Norico Kimura sowie mit Nils Alf (Klarinette und Saxofon) bringen sie das am 20. Oktober im „Trafo“in Jena zur Premiere; es folgen sogleich Konzerte in Weimar, Erfurt und Nordhausen.

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www.jazzmeile.org

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Weimar.
FOTO: M.SCHUCK Etta Scollo, hier 2019 in Weimar, spielt am 1. Oktober. Weimar.

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