Etta Scollo eröffnet die Jazzmeile
Thüringer Festival erschließt sich Schallerschen Erbenhof in Weimar als neuen Spielort. Auftaktkonzerte auch in Nordhausen und Altenburg
Thomas Eckardt sitzt im Schallerschen Erbenhof am Weimarer Frauenplan, in Nachbarschaft zu Herrn Goethe, noch mehr in jener zu Sekretär Eckermann, und baut gleich vor. Beziehungsweise baut er Vorurteile ab: „Bevor jetzt gleich wieder die Jazzpolizei ermittelt“, sagt der Projektleiter der Jazzmeile Thüringen und grinst sich eins, „wir sind da sehr offen“.
Angrenzenden Genres gegenüber, soll das heißen. Denn hier, in diesem Hof, wird Etta Scollo die Jazzmeile am 1. Oktober eröffnen. Die sizilianische Folksängerin veröffentlichte „Il passo interiore“, ihr jüngstes Album, zwar beim Label
„Jazzhaus Records“, folgt aber kaum ansatzweise der reinen Lehre des Jazz. Andererseits: Seit wann hätte ausgerechnet Jazz irgendwas mit reiner Lehre zu tun? Vielmehr stellt er uns, in all seinen Spielarten, doch immer vor die Frage, wie groß der innere Schritt ist, den wir auf die Musik zuzugehen bereit sind.
Genau das bedeutet auch „Il passo interiore“: der innere Schritt. Die Sängerin und Gitarristin Scollo wird ihr eher melancholisches Programm mit Cathrin Pfeifer (Akkordeon) und Zoé Cartier (Cello) bestreiten: als „eine Reise mit Texten aus einem halben Jahrtausend“.
Es ist dies, bei freiem Eintritt, aber mit Spendenbox, zugleich das Vorspiel zur „Schallkultur“: einer neuen Konzertreihe, die im kommenden Jahr volle Fahrt aufnehmen soll, mit dann zehn übers Jahr verteilten Auftritten, die die Jazzmeile im Schallerschen Hof veranstaltet. Den Anfang macht, am 30. April, die Soulstimme von Ann Vriend.
Die Erbenhof Gmbh des Geschäftsmannes Frank Müller, mittlerweile Alleinherrscher über das historische Ensemble mit Restaurant und Hotel, will jenes über solche Wege „aus dem Dornröschenschlaf holen“. Eckardt, stets auf der Suche nach neuen Spielorten, lobt die „sehr gute Akustik“sowie die beinahe ideale Infrastruktur für Künstler, die sich hier biete.
Inoffiziell hat die Jazzmeile derweil längst begonnen, mit Konzerten
vor allem in Jena, wo etwa an diesem Freitag das jazzpreisgekrönte Quartett „Masaa“auf dem Theatervorplatz gastiert, und auch in Erfurt. Die offizielle Eröffnung aber musste aufgrund pandemiebedingter Planungsunsicherheit verschoben werden. Sie findet am 1. Oktober parallel zu Weimar auch in Nordhausen statt, wo die Saxofonistin und Sängerin Stephanie Lottermoser in der Blasii-kirche den Auftakt zum 38. Jazzfest der Stadt liefert. Tags darauf, am 2. Oktober, geht es im Paul-gustavus-haus in Altenburg los, mit der „Open Ear Jazzmeile Connection“von Christoph Bernewitz, Henning Luther, Philipp Martin und Stefan Nagler. Aktuell kündigt der Internetauftritt der Jazzmeile bis Mitte Dezember 85 Konzerte an: laut Thomas Eckardt achtzig Prozent des Programms, das demnach fortlaufend entwickelt und angepasst wird. Eingepreist sind unter anderem bereits auch die Sonneberger Jazztage.
Als Höhepunkt stellt Eckardt die „Kommunikationen“des Gitarristen Falk Zenker aus Kapellendorf und des Elektronik-klang-künstlers Tim Helbig aus Jena heraus. Mit der Opernsängerin Norico Kimura sowie mit Nils Alf (Klarinette und Saxofon) bringen sie das am 20. Oktober im „Trafo“in Jena zur Premiere; es folgen sogleich Konzerte in Weimar, Erfurt und Nordhausen.
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www.jazzmeile.org