Per Charterflug in die Galaxis
Im Rennen um die Kommerzialisierung des Weltalls schickt Elon Musk vier Touristen tagelang in den Orbit – in einer selbst steuernden Raumkapsel ohne Astronauten
Cape Canaveral/berlin. Die Zeitenwende beginnt um kurz nach 20 Uhr auf dem Weltraumbahnhof in Florida. Die Sonne ist schon untergegangen, da erhellt ein Feuerschwall das Kennedy Space Center und scheint die Rakete immer weiter in den sternenklaren Himmel zu schieben. In dem Flugkörper des Typs Falcon 9 sitzen vier angeschnallte Pioniere in weißen Raumanzügen. Sie wagen einen historischen Einsatz – denn keiner von ihnen ist Astronaut. Erstmals in der Geschichte der bemannten Raumfahrt sind normale Menschen ganz allein im All unterwegs.
„Dieser Flug markiert einen Übergang in der bemannten Raumfahrt.“
John Logsdon, Raumfahrthistoriker
Der am Mittwochabend (Ortszeit) gestartete Flug ist der nächste große Meilenstein in der Entwicklung des Weltraum-tourismus. Die von Tesla-gründer Elon Musks (50) Us-raumfahrtunternehmen Spacex zur Verfügung gestellte Raumkapsel fliegt weitgehend automatisch, sie soll für drei Tage in der Erdumlaufbahn bleiben. Bezahlt hat das Ganze der Unternehmer Jared Isaacman (38), ein Schulabbrecher, der mit der Gründung einer Zahlungsabwicklungsfirma zum Milliardär geworden ist. Wie viel der Trip für ihn und seine drei Begleiter kostet, ist unbekannt. Experten gehen von rund 200 Millionen Dollar aus. „Wir müssen das gut hinkriegen, damit die Tür für die nächsten Missionen offen bleibt“, sagte Isaacman vor dem Start dem Sender CNN. Er will dazu beitragen, dass der Weltraum eines Tages allen Menschen zugänglich ist.
Bislang ist ein Ausflug ins All jedoch außer professionellen Astronauten den Superreichen vorbehalten. Erst vor wenigen Wochen waren die Milliardäre Jeff Bezos (57) und Richard Branson (71) mit von ihren Firmen Blue Origin und Virgin Galactic entwickelten Raumschiffen ins All geflogen. Musks „Inspiration 4“genannte Mission ist jedoch deutlich ambitionierter:
Der Brite Branson ließ sich Mitte Juli 80 Kilometer in die Höhe schießen und landete nach gut einer Stunde wieder auf der Erde. Amazon-gründer Bezos erreichte neun Tage später eine Flughöhe von 106 Kilometern, war aber bereits nach zehn Minuten wieder auf dem Boden. Die Spacex-touristen dagegen sollen eine Erdumlaufbahn in 575 Kilometern Höhe erreichen. Das ist sogar höher als die Internationale Raumstation ISS.
„Dieser Flug markiert den Übergang
in der bemannten Raumfahrt von öffentlich zu privat“, sagte der Raumfahrthistoriker John Logsdon der „Washington Post“. Das sei, „als ob jemand eine sich selbst steuernde Yacht mietet und damit in den Weltraum segelt“. Zwei Jahrzehnte ist es her, dass die Ära des Weltraumtourismus begann. 2001 hatte der Us-unternehmer Dennis Tito (81) als erster Urlauber eine Woche auf der ISS verbracht und dafür rund 20 Millionen Dollar bezahlt.
Sechs Monate Training für drei Tage im All
Die „Inspiration 4“-Crew hat sich ein halbes Jahr auf die Reise vorbereitet. Die jeweils zwei Frauen und Männer quälten sich im Spacexhauptquartier in Kalifornien durch Belastungstests und ein Zentrifugentraining, zusammen erkletterten sie den mehr als 4000 Meter hohen Mount Rainier. Eine harte Ausbildung, wie Isaacman konstatierte: „Wir arbeiten daran, uns daran zu gewöhnen, dass es unbequem ist.“
Isaacmans Mitstreiter wurden im Rahmen eines Wettbewerbs ausgewählt. Hayley Arceneaux (29) flog, nachdem ihr wegen einer Krebserkrankung als Kind ein Bein amputiert wurde, als erster Mensch mit Prothese in die Erdumlaufbahn. Außerdem sind Chris Sembroski (42), Veteran der Us-luftwaffe, und die Geowissenschaftlerin Sian Proctor (51) dabei. Isaacman betont, dass er Gutes tun wolle – ein Ziel der Mission sei es, Spenden für ein Kinderkrankenhaus in Tennessee zu sammeln. Experten glauben indes, dass es tatsächlich vor allem darum geht, für Weltraumflüge zu werben – und fragen, warum Isaacman das Geld für die Mission nicht gleich der Klinik spendet. Für öffentliche Aufmerksamkeit ist jedenfalls gesorgt: Netflix hat bereits eine Dokumentation angekündigt.