Schwere Zeiten für Musikschulen
Corona-pandemie führt Bildungseinrichtungen an Belastungsgrenze
Erfurt/sondershausen. Der eine spricht von der „größten Herausforderung seit 30 Jahren“, der andere von „einer nach wie vor schweren Zeit“: Die Thüringer Verbandschefs der kommunalen und privaten Musikschulen, Matthias Deichstetter und Stefan Räsch, sind sich einig. Die Corona-pandemie habe die Bildungseinrichtungen an die Belastungsgrenze geführt. Ins aktuelle Schuljahr sind die Thüringer Musikschulen allerdings gut gestartet.
„Die privaten Musikschulen haben wirtschaftlich und inhaltlich gelitten“, sagt Stefan Räsch, Thüringer Landesvertreter im Bundesverband der Freien Musikschulen und Inhaber der Erfurter Musikschule Musikwerk. Eine verbandsweite Umfrage habe ergeben, dass die überwiegende Mehrheit in der Pandemie zehn bis 30 Prozent ihrer Schüler verloren hätten. Da Thüringen von der Schließungswelle besonders hart betroffen gewesen sei, seien die Verluste hier auch besonders hoch. „Wirtschaftliche Einbußen mussten alle freien Schulen hinnehmen“, sagt Räsch. Hoffnung macht ihm das neue Schuljahr. „Die Nachfrage und die Lust sind da“. Die Verluste wieder aufzuarbeiten, brauche allerdings noch viel Zeit.
Ähnlich sieht es auch Matthias Deichstetter, Vorsitzender des Landesverbandes der kommunalen Thüringer Musikschulen und Chef der Musikschule des Kyffhäuserkreises. Bei den öffentlich geförderten Einrichtungen seien die Schülerzahlen besonders zu Beginn der Pandemie zurückgegangen. Vor allem seien die Angebote im Bereich musikalische Früherziehung weggebrochen, die oft direkt in Kindertagesstätten stattfinden. „Die Lehrkräfte kamen einfach nicht mehr in die Kitas“, sagt Deichstetter.
2021 hat sich das Blatt für die kommunalen Schulen dann allerdings gewendet. „Wir sind beinah überrannt worden“, berichtet Deichstetter. Eltern hätten nach den Schulschließungen nach Möglichkeiten gesucht, um Lerndefizite ihrer Kinder auszugleichen. Bis auf Gera unterbreiteten alle öffentlichen Schulen inzwischen wieder Präsenzunterricht. In der ostthüringischen Stadt ist die Musikschule Heinrich Schütz im November wegen des damals hohen Infektionsgeschehens geschlossen worden. Dass sie bislang nur digitalen Unterricht anbietet, stößt nicht nur bei Stadträten auf Kritik.
In Gera nur Online-unterricht, in Erfurt fehlte dieser lange
Während in Gera der Online-unterricht nicht enden will, wurde er in der kommunalen Musikschule Erfurt lange Zeit gar nicht angeboten, was ebenfalls für Unmut sorgte. Die Stadt begründete ihr Zögern mit dem Datenschutz.
Die Verbandschefs Deichstetter und Räsch können der Krise aber zumindest in Sachen Digitalisierung auch Positives abgewinnen. Der Zwang, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, habe viele Einrichtungen vorangebracht. Deichstetter kann sich hybride
Unterrichtsformen, also einen Mix aus Präsenz- und Online-unterricht, auch in Zukunft vorstellen – je nach Situation.
Die Corona-hilfen haben den privaten Musikschulen nur bedingt geholfen. Vor allem die Überbrückungshilfen seien an ihnen vorbeigegangen, da sie erst bei Verlusten ab 30 Prozent greifen würden, sagt Stefan Räsch. Rücklagen, wenn vorhanden, seien aufgebraucht worden. Deichstetter bedauert unterdessen, dass die kommunalen Einrichtungen Landesmittel wegen der Krise teilweise umwidmen mussten und nur bedingt in den Abbau von Investitionsstau und prekären Beschäftigungsverhältnissen stecken konnten. Zusätzliche Hilfen wie für die Theater gab es nicht.
Im Freistaat gibt es 25 kommunale Musikschulen, in denen bis zu 29.000 Schüler unterrichtet werden. Die größten Einrichtungen befinden sich in Jena und Erfurt. Die größte private Musikschule Thüringens mit rund 1000 Schülern ist Räschs Erfurter Musikwerk.