Die Nacht der Entscheidung
Nach 22 Stunden Verhandlungen steht der Etatkompromiss von Rot-rot-grün und CDU
Erfurt. Einen halben Tag und die ganze Nacht hatten sich die Spitzen der Fraktionen und ihre Fachreferenten durch die dicken Einzelpläne des Landeshaushalts 2022 gekämpft und laut miteinander gestritten. Sie hatten Indisch gegessen, viel Kaffee getrunken, von Nougat-pralinen genascht und ansonsten die Masken über Nase und Mund getragen. Ja, Cdu-fraktionschef Mario Voigt hatte sich sogar mehrfach einem Corona-schnelltest unterzogen, weil seine Frau zuvor positiv getestet worden war.
Dann, am frühen Donnerstagmorgen, die Verhandlungen dauerten 20 Stunden an, drohte das Scheitern. Die Regierungsfraktionen Linke, SPD und Grüne erklärten, dass sie die Kürzungen, mit denen die CDU ihre Forderungen gegenfinanzieren wollte, nicht akzeptieren könnten. Daraufhin teilten die Oppositionsfraktionäre mit, dass man sich vertagen müsse.
Das Problem: Das parlamentarische Prozedere bis zur Verabschiedung des Haushalts – mit Dokumentation der Änderungen, Information der Abgeordneten, Ausschussberatung – dauert mindestens zwei Wochen. Und in zwei Wochen
soll das Parlament den Etat für dieses Jahr verabschieden.
Also redeten die Koalitionäre auf Voigt und seine Verhandler ein. Die akzeptierten schließlich nach einer langen Lüftungspause, dass nur die knappe Hälfte ihrer Forderungen erfüllt wird – und dass das Geld teilweise aus der sogenannten globalen Minderausgabe kommt.
Diese Minderausgabe ist so etwas wie ein ungedeckter Scheck, den der Landtag der Landesregierung mit dem Etat zurückreicht. Auf ihm stehen jetzt 330 Millionen Euro, nicht 500 Millionen Euro, wie es die CDU wollte. Das heißt: Finanzministerin Heike Taubert (SPD) muss sich darum kümmern, dass das Land im laufenden Jahr 330 Millionen Euro weniger ausgibt, als immer noch im Plan stehen. Der Landtag gibt nur vor, dass davon 130 Millionen Euro zusätzlich an die Kommunen gehen und – so lautete der Kompromiss gegen 5.30 Uhr – 25 Millionen Euro in die von der CDU forderten Projekte (siehe Info-kasten), die sich insgesamt auf mehr als 40 Millionen Euro summieren.
Ansonsten soll die Minderausgabe dafür sorgen, dass das Haushaltsvolumen um 175 Millionen Euro unter 12 Milliarden Euro sinkt: auf 11,931 Milliarden. Das sind gerade mal 46 Millionen Euro weniger als die Soll-ausgaben im Jahr 2021, ein eher überschaubarer Betrag.
Die Finanzministerin, die so stolz darauf war, in diesen Zeiten einen Entwurf ohne Schulden vorgelegt zu haben, reagierte dennoch wenig amüsiert darauf, dass das Parlament fast das gesamte Sparen auf sie abdrückt. Sie drohte schon mal vorsorglich mit Haushaltssperren, um das Geld zusammenzubekommen.
Am Ende wirkte auch Taubert dennoch froh darüber, dass die Minderheitsregierung ausfinanziert weiterarbeiten kann. Ähnlich ergeht es den sichtlich übermüdeten Chefs der Regierungsfraktionen.
Auch Cdu-fraktionschef Voigt gab sich erleichtert. Er kann die eher symbolische Begrenzung der Ausgaben und die Kommunalzuschüsse seiner Partei als seinen Erfolg verkaufen. Gleichzeitig muss er aber ahnen, dass die meisten anderen Forderungen zum Vergabegesetz, den Ladenöffnungen oder dem Mindestabstand für Windräder, die er mit dem Ja zum Etat verknüpfte, in eher unverbindliche Zusagen münden werden.
Die Gespräche darüber laufen noch, und sie dürften noch zu einigem Schlachtenlärm führen. Am Ende aber scheint der Haushalt für dieses Jahr tatsächlich zu stehen.