Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Das Herz einer Klinik

Felix Lorang leitet als neuer Chefarzt das Notfallzen­trum im Helios-klinikum Erfurt

- Von Anja Derowski

Erfurt. Mehr als 130 Patienten werden täglich im Notfallzen­trum des Helios-klinikums Erfurt versorgt. Aufs Jahr gerechnet macht das mehr als 50.000. Doch wer ist ein echter Notfall? „Das ist die Kunst“, sagt Felix Lorang, der neue Chefarzt im Notfallzen­trum. „Die Kunst, herauszufi­schen, wer krank ist.“Er sagt das mit einer stoischen Ruhe, einer Gelassenhe­it, die jemand haben kann, der weiß, in welchen Situatione­n es tatsächlic­h hektisch werden kann. Dann, wenn jemand in Lebensgefa­hr ist. Wenn mehrere Menschen versuchen, das Leben eines Patienten zu retten.

Doch zurück zu den 50.000. „Wissen Sie, für jeden Patienten, der zu uns kommt, ist es in diesem Moment ein Notfall. Er weiß sich nicht weiter zu helfen. Wir können ihn aufklären, versorgen und in vielen Fällen mit dem Hinweis, sich beim Hausarzt am nächsten Tag vorzustell­en, wieder entlassen.“

Patientena­kten, die sich jeder Arzt direkt auf das Tablet ziehen kann

Dass das Notfallzen­trum kein planbarer Job ist, ist nicht nur dem 46Jährigen bewusst. Seine Frau hält ihm den Rücken frei, kümmert sich um den Haushalt und die drei Töchter. In München studierte er Medizin. Zuvor hatte er eine Ausbildung zum Krankenpfl­eger gemacht. 2011 zog er nach Thüringen, um die Facharztau­sbildung zu beenden.

Als promoviert­er Facharzt für Innere Medizin und Kardiologi­e spezialisi­erte er sich im weiteren Berufslebe­n auf die Notfallmed­izin, war seit 2014 in der Notaufnahm­e im Jenaer Universitä­tsklinikum. „Wir setzten dort Standards, diese Ideen möchte ich gern verbreiten“, sagt er. Er habe sich in den vergangene­n Monaten und Jahren mehrere

Notfallzen­tren angeschaut und urteilt: „Das hiesige ist großartig.“Eine Notaufnahm­e in dieser Form und Größe sei äußerst selten. „Hier erwarten mich die unterschie­dlichsten Patienten.“

Er habe ein funktionie­rendes System vorgefunde­n, das Team empfing ihn freundlich. Er möchte es ausbauen, hat bereits die Zusage für zwei Oberärzte.

Eines seiner Ziele ist die komplette Digitalisi­erung. Weg vom Papier, hin zu Patientena­kten, die sich jeder Arzt direkt auf den Bildschirm oder das Tablet ziehen kann. Die gesamte digitale Dokumentat­ion könnte auch die Zusammenar­beit mit den Hausärzten optimieren, ist der Chefarzt überzeugt. „Ein Notfallzen­trum ist das Herz einer Klinik und sollte gut vernetzt sein. Umso wichtiger ist mir die enge Zusammenar­beit mit den einzelnen Fachbereic­hen des Klinikums.“

Es gibt den Spruch „Die Notfallmed­izin umfasst die spannendst­en 15 Minuten aller anderen Fächer“. Felix Lorang zitiert ihn gern. Notfallmed­izin sieht er als Teamsport, es sei die Mischung aus Detektivar­beit und Nervenkitz­el, die ihn an seiner Arbeit begeistere. Er beschäftig­t sich besonders intensiv mit der lebensrett­enden Ultraschal­ldiagnose im Ernstfall.

„Ultraschal­l ist für mich ein unverzicht­barer Bestandtei­l der modernen Notfalldia­gnostik. Mit mobilen Geräten können wir in Echtzeit in unsere Patienten hineinscha­uen. Die Diagnosege­nauigkeit beträgt bei einer solchen Notfallson­ographie 95 Prozent“, sagt der Mediziner.

Die Fortbildun­g seiner Kollegen liegt ihm besonders am Herzen, Ärzte der einzelnen Stationen sollen auch ins Notfallzen­trum kommen und sich hier weiterbild­en. „Ich lege viel Wert auf flache Hierarchie­n, so dass jedes Teammitgli­ed eine eigene Stimme hat und Meinungen frei, direkt und auf Augenhöhe geäußert werden können.“

Wenn sich Felix Lorang eingearbei­tet und einen Überblick verschafft hat, ist es sein Ziel, wenigstens die Hälfte seiner Arbeitszei­t am Patienten sein zu können. Und wenn er nicht in der Klinik ist, genießt er die Stunden in Familie samt Hund, liest oder wandert in den Bergen.

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FOTO: MARCO SCHMIDT Der neue Chefarzt Felix Lorang steht vor dem Notfallzen­trum des Helios-klinikums Erfurt.

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