Die Feuerwehr-chronik aus der Schublade
Stadtarchiv-förderverein nutzt Adventszeit zum Sammeln von Erinnerungen aus der jüngeren Stadtgeschichte
Erfurt. Geschichte zu sammeln ist die – wie man heute so gern sagt – Kernkompetenz eines Archivs. Geschichten einzusammeln, setzt dabei noch eines drauf. Der Förderverein des Stadtarchivs wollte genau das mit einer kleinen Aktion in der Vorweihnachtszeit tun.
Zu vier vorgegebenen Themen erhofften die Geschichtsfreunde neues Archivmaterial und insbesondere Stadtgeschichte zu erfahren, wie sie einst eher nebenbei weitergegeben wurde. Sei es nun durch Erzählungen am Kaffeetisch oder Eintrittskarten und Fotos, die in einer Schublade überdauert haben.
„Am schönsten war, wie generationsübergreifend die Reaktionen waren“, sagt Anne Palmowski vom Förderverein, die die Aktion maßgeblich begleitet hat. Da holte ein über 80-jähriger Herr eine selbst angefertigte Feuerwehr-chronik hervor, die dieser Tage bereits im Stadtarchiv digitalisiert werde. Der Trennungsschmerz sei dann doch zu groß gewesen, als dass sie direkt Eingang in den Bestand gefunden hätte.
Buchhandlungen und Jugendtheater stoßen auf besonderes Interesse
Ebenso zum Thema Feuerwehr meldete sich eine Erfurterin zu Wort und schickte, wie Palmowski wiedergibt, „ein Foto ihrer Tochter, Mitglied der Bambinifeuerwehr in Melchendorf, die stolz ihre erste Uniform präsentiert und dank gutem Training auch ihren Vater mühelos in die stabile Seitenlage bringen kann.“
Die meisten Erfurterinnen und Erfurter meldeten sich im Stadtarchiv zu den Themen Jugendtheater und Buchhandlungen der Stadt. Mit Erinnerungen, die viel über die jeweilige Zeit aussagen. Etwa wurde von Buchhändlern in der Lutherbuchhandlung berichtet, die dort von Zeit zu Zeit auch Bücher zu Themen, die in der DDR eher als Tabu
galten, an die Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek abgaben und somit einem breiteren Leserkreis eröffneten.
Auch die Buchhandlung Peterknecht, die bis heute überdauert hat, umranken einige Anekdoten. So landeten beim Stadtarchiv Kindheitserinnerungen aus dem 1950er Jahren an viele vorweihnachtliche
Nachmittage in dieser Buchhandlung mit den Eltern. Schön warm von einem Ofen beheizt, aber zwischen den Beinen der Erwachsenen ohne Kinderbuchabteilung sei es eher als langweilig empfunden worden.
Eher dramatische Stunden gab es indes in der Wendezeit. Als die Läden zu Veranstaltungsorten wurden, aber auch Ziel von politischen Auseinandersetzungen und Provokationen geworden seien, wie etwa bei der Lesung des Berliner Bürgermeisters Walter Momper kurz nach der politischen Wende bei Peterknecht.
Ein kleiner Schatz ging indes aus bzw. zur Buchhandlung Villaret im Stadtarchiv ein. Einen gläsernen
Bierkrug mit graviertem Deckel der Buch- und Kunsthandlung in der Bahnhofstraße 5 zum 75. Geschäftsjubiläum im Jahr 1925 (später Humboldt-buchhandlung) sowie ein Gruppenfoto der Mitarbeiter mit Ur-urgroßvater Franz Tröbel brachten Nachfahren ins Stadtarchiv.
Erinnerungen an bekannte Erfurter Persönlichkeiten
Auch die Mitarbeiter der Buchhandlungen Peterknecht und die Wolf’sche Buchhandlung selbst meldeten sich zu Wort. Sie erzählten von ihren Anfängen und auch zukünftigen Vorhaben. Etwa wie Mitarbeiter der Volksbuchhandlung am Berliner Platz ihr Geschäft nach der Wende übernahmen und so retteten. „Hier haben wir Kontakte geknüpft oder vertieft und sind auch weiter im Gespräch.“
Gleiches gilt auch für die Jugendtheater, zu denen diverse Fundstücke und Anekdoten weitergegeben wurden. So etwa Kinderzeichnungen aus dem Jahr 1957, die im Anschluss an einen Theaterbesuch von „Frau Holle“entstanden.
Auch an bekannte Protagonisten erinnerten sich einige Erfurter. So an Renate Lichnok, Leiterin des Pioniertheaters und später der Schotte, sowie an Alexander Stillmark, der in den 1950er Jahren ein Kinder- und Jugendtheater leitete.
Zum Selbstzweck sei die Spurensuche mit Hilfe der Erfurter allein aber nicht geschehen, versichert Anne Palmowski.
Die Geschichten, Flyer, Bilder u.ä. würden nun in zeitgeschichtliche, thematische Sammlungen eingepflegt. Und seien so auch wieder anderen Erfurtern zugänglich, die auf Spuren- oder Materialsuche gingen. „Gerade Schüler und Studenten nutzen so etwas für Jahres- oder Semesterarbeiten gern.“
Und Anne Palmowksi freut sich, dass eben auch die Nutzer zunehmend aus allen Generationen kommen.