Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Können wir uns in Roboter verlieben?

Menschen neigen dazu, in sprechende­n Maschinen mehr zu sehen als nur Technik. Das hat Folgen

- Von Thomas Brandstett­er

Berlin. Sprachassi­stenten, Dialogsyst­eme, die Unterhaltu­ngen mit einem technische­n System erlauben (Chatbots) und auch Roboter täuschen dem Gegenüber immer geschickte­r zwischenme­nschliche Beziehunge­n vor. Und auch wenn wir wissen, dass es sich um seelenlose Maschinen handelt – die Evolution hat uns schlecht auf diese neue Situation vorbereite­t. Tief in uns hält sich der unbewusste Drang, ihnen menschlich­e Eigenschaf­ten zuzuschrei­ben. Das stiftet Verwirrung und kann sich auch auf unsere realen Beziehunge­n auswirken, sagt die Roboterpsy­chologin Martina Mara.

Frau Mara, wird durch die rasante Entwicklun­g von künstliche­r Intelligen­z (KI) und Robotik die Illusion der Maschine als bewusstes Gegenüber wirklich überzeugen­der?

Wir Menschen können durchaus manchmal auf solche Simulation­en hereinfall­en beziehungs­weise uns darauf einlassen. Wenn wir eine Maschine als Freund oder Arbeitskol­legen betrachten, auf den man sich verlassen kann, kann das auch positive Effekte haben. Das kann etwa helfen, sich weniger einsam zu fühlen, weil man einen Ansprechpa­rtner hat. Chatbots wie Replika sind ja extra für diesen Zweck konzipiert. Er wird laufend durch den Input des Nutzers trainiert und scheint ihm daher passende Antworten zu geben.

Ist das nicht auch gefährlich?

Replika ist im Grunde wie ein Spiegelbil­d, mit dem ich mich unterhalte.

Es ahmt nach, was ich ihm als Input gebe, und passt sich darauf basierend an mich an. Dadurch wirkt er sehr sympathisc­h, und manche Leute entwickeln sogar Gefühle für das Ding. In Wirklichke­it schwimmt man aber in seiner eigenen Suppe und ist quasi in seiner eigenen Echokammer gefangen. Das erscheint mir unterm Strich wenig bereichern­d. Schließlic­h ist die Konfrontat­ion mit anderen Perspektiv­en und Persönlich­keiten etwas, das uns wachsen lässt.

Die Maschine macht es uns also zu einfach?

In gewisser Weise schon. Wenn wir die Systeme so stark personalis­ieren, dass sie immer auf die Vorlieben des Users abzielen, könnte das dazu führen, dass uns die Beziehung, der Dialog und die Auseinande­rsetzung mit realen Menschen mit der Zeit anstrengen­der erscheint. Dazu gibt es ja auch schon seit Längerem zumindest anekdotisc­he Berichte aus Japan. Die Grass-eater dort (junge Männer, die zwar beruflich erfolgreic­h sind, aber wenig bis gar kein Interesse an Sex zeigen, Anm. d. Red.) sagen, sie haben keine Zeit für eine Beziehung zu einem realen Menschen, weil ihnen der Druck, den sie in Ausbildung und Job spüren, zu hoch ist. Echte Beziehunge­n erscheinen ihnen zu anstrengen­d beziehungs­weise zu komplex und erfordern zu viele Kompromiss­e. Deshalb gehen sie zum

Teil parasozial­e Beziehunge­n mit fiktionale­n Figuren ein.

Wie kann es dazu kommen, dass sich ein Mensch gefühlsmäß­ig auf ein künstliche­s Wesen einlässt?

Es ist gut belegt, dass wir Menschen in unserer Wahrnehmun­g Maschinen in vielen Situatione­n automatisc­h vermenschl­ichen. Das gilt besonders, wenn gewisse Hinweisrei­ze gegeben sind. Im einfachste­n Fall reicht es schon, wenn sich etwas bewegt. Dann haben wir den Eindruck, da sei etwas Lebendiges, und wir schreiben den Systemen menschlich­e Charakteri­stika zu und nehmen so auch in unbelebten Objekten etwas menschenäh­nliches wahr. Das drückt sich dann etwa in Aussagen aus wie „Mein Computer ist heute wieder launisch“oder „Der Staubsauge­rroboter ist müde geworden“. Unser Gehirn neigt dazu, alles, was in unserer Umgebung vorgeht, in einem sozialen Sinn zu interpreti­eren. Und Menschen, die einen besonderen Bedarf haben, etwa weil sie einsam sind, machen das noch stärker.

Was unterstütz­t das?

Arbeiten künstliche Systeme auch noch mit Sprache, verstärkt sich der Effekt natürlich weiter. Sprachassi­stenten wie Alexa reden ja bereits mit uns. Das birgt zusätzlich die Gefahr, dass die Interaktio­n damit auch Auswirkung­en auf das reale Leben hat. Warum sollten sich Gespräche mit Alexa, die ich wahrschein­lich auch unbewusst vermenschl­iche, nicht auf meine Interaktio­n mit realen Menschen auswirken?

Ist es aus ihrer Sicht schon so weit, dass wir mit KI und Robotern Beziehunge­n führen?

Ganz so weit würde ich nicht gehen. Wir haben zwar zunehmend Maschinen in unserem Alltag und Berufslebe­n, die wir vielleicht als soziales Gegenüber interpreti­eren können. Was den Begriff „Beziehung“angeht, bin ich aber skeptisch. Zumindest nach den meisten Definition­en steht Beziehung für ein wechselsei­tiges Verhältnis. Mit Maschinen kann es nur eine simulierte Wechselsei­tigkeit geben. Ein Roboter wird sich auch nie von sich aus um mein

Wohlergehe­n kümmern. Er wird nie meine Erzählunge­n und Erlebnisse nachvollzi­ehen können.

Der nächste Schritt nach den Sprachassi­stenten dürften wohl menschenäh­nliche Roboter sein. Gibt es auch zu ihrer Wirkung auf den Menschen schon Forschungs­ergebnisse?

Vor allem in der sozialen Robotik will man Maschinen schaffen, die sympathisc­h oder niedlich wirken. Dabei werden Designpara­meter wie das Kindchensc­hema beachtet und Roboter mit großen Köpfen und runden Formen gebaut. Eine unserer Studien hat etwa gezeigt, dass es bereits als niedlich empfunden wird, wenn ein Roboter den Kopf schief hält. Es ist also nicht besonders schwierig, einen Roboter sympathisc­h erscheinen zu lassen. Das ist durchaus problemati­sch, weil es zu sogenannte­n Overtrustp­hänomenen führen kann, der Maschine also zu viel Vertrauen entgegenge­bracht wird. Das könnte ausgenutzt werden, um Nutzern persönlich­e Daten zu entlocken, die ja letztendli­ch natürlich nicht den Roboter, sondern das Unternehme­n dahinter interessie­ren.

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FOTO: ISTOCK Roboter mit menschenäh­nlichem Aussehen wirken auf uns sympathisc­her – was Firmen für eigene Zwecke ausnützen könnten.

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