Brillant als Autorin und Keramikerin
Bürgel erinnert an Jugendstilkünstlerin. Potenzial der Bauhaus-werkstatt Dornburg soll künftig ausgebaut werden
Bürgel. Ende des 19. Jahrhunderts kommt Emmy von Egidy (18721946) für eine Töpferausbildung nach Bürgel. Die Arbeit an der Drehscheibe ist damals für eine Frau noch völlig unüblich. Allein die langen Röcke gelten als hinderlich. Die junge Frauenrechtlerin lässt sich davon aber nicht beirren. Mit einer Turnhose, wie sie in Schweden bereits modern ist, tritt sie im Herbst 1898 ihren ersten Weg zur Bürgeler Werkstatt an. Lange weilt Emmy von Egidy allerdings nicht in Bürgel. Schon nach zwei Monaten kehrt sie nach München zurück. Vielleicht auch, weil ihr geliebter Vater gestorben war.
Das Keramik-museum Bürgel widmet der vergessenen Schriftstellerin, Keramikerin und Bildhauerin Emmy von Egidy seine aktuelle Sonderausstellung. Zu sehen sind sowohl Bücher der Künstlerin als auch wichtige keramische und bildhauerische Arbeiten. „Emmy von Egidy hat innerhalb des Jugendstils eine ganz eigene Formsprache entwickelt“, sagt Museumsleiterin Antje Neumann-golle. Ihre formschönen, farbigen Gefäße muteten an, als sei etwas Organisches im Prozess des Wachstums erstarrt.
Über ihre Zeit in Bürgel hat von Egidy die autobiografisch gefärbte Erzählung „Die Töpferstadt“verfasst. Darin beschreibt sie beispielsweise ihren ersten Tag an der Töpferscheibe, wie sie unter den kritischen Augen des Meisters noch vom Klumpen Ton beherrscht wird. Ihr Drang zum Modellieren habe von Egidy schon in der Kindheit verspürt, sagt Museumschefin Neurücken, mann-golle. So habe sie stets Erdklümpchen in den Taschen getragen, um daraus etwas zu formen. Dass sie ihr künstlerisches Potenzial nie vollends ausschöpfte, lag an familiären Verpflichtungen. Schon früh hatte sie sich als älteste Tochter beispielsweise um ihre vielen Geschwister zu kümmern, zumal ihre Mutter kränklich war. Von ihrem Vater Moritz von Egidy, einem Stabsoffizier mit moralphilosophischem Publikationsdrang, erbt sie die Lust am Schreiben. Vor allem vor dem Ersten Weltkrieg kann sie große Erfolge als Autorin feiern. Ihr absoluter Verkaufsschlager wird der Roman „Marie-elisa“, dessen Vorwort der Dichter Wilhelm Polenz verfasst, mit dem sie eine unglückliche Liebe verbindet.
Als Keramikerin liefert Emmy von Egidy unter anderem Entwürfe für die kurzlebige Thonbrandkunstwerkstätte
Schweinsburg. „Ihre wunderschönen Keramiken kursieren noch immer auf dem Auktionsmarkt“, sagt die Leiterin des Keramik-museums. Die letzten Lebensjahre verbringt von Egidy verarmt in Weimar. Dort stirbt sie 1946 unterernährt in einem Krankenhaus.
Die Ausstellung soll die Künstlerin in den Fokus von Öffentlichkeit und wissenschaftlichem Interesse
erläutert Antje Neumanngolle. Die Kunsthistorikerin ist seit 1. Juli 2022 neue Chefin im Keramik-museum Bürgel. Sie folgte nahtlos auf Konrad Kessler, der den Leitungsposten des Geraer Stadtmuseums übernommen hat.
In Weimar aufgewachsen, studierte Antje Neumann-golle in Jena Kunstgeschichte. Bis 2019 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Klassik Stiftung Weimar tätig, wirkte dort am Forschungsprojekt zum Werkverzeichnis von Henry van de Velde mit. Danach übernahm sie in der Kunstsammlung Chemnitz die Abteilungsleitung für Textil- und Kunstgewerbe sowie das Museum Villa Esche.
Als Leiterin des Keramik-museums Bürgel verfolgt Neumanngolle vor allem vier Hauptziele: Sie möchte die Bedeutung des zum Haus gehörenden Bauhaus-werkstatt-museums in Dornburg noch stärker herausstellen. Die Räume im Dornburger Marstall sind immerhin die einzig erhaltene Bauhaus-werkstatt überhaupt. Darüber hinaus möchte die Museumschefin die Vermittlungsarbeit intensivieren und das Museum gerade für junge Besucher lebendig halten. Aber auch die Ausstellungsarbeit, die zwischen historischen und zeitgenössischen Keramik-schauen wechselt, soll fortgesetzt werden. Künftig plant Antje Neumann-golle obendrein, Zeitzeugen-geschichten aus der DDR rund um die legendäre Bürgeler Blau-weiß-ware zusammenzutragen.
Die Ausstellung ist bis 23. April zu sehen. Zur Sonderschau ist ein kleiner Katalog erschienen.