Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Leicht zugänglich­e Informatio­nen

In Weimar werden Texte in Leichte Sprache übersetzt. Die verstehen viele Menschen

- Franz Hempel

Wenn man lesen lernt, dann versteht man immer mehr von der Welt. Mit jedem Buchstaben, der im Unterricht in der Schule behandelt wurde, kann man besser erraten, was zum Beispiel auf Plakaten und Straßensch­ildern geschriebe­n steht. Dabei liest man mit der Zeit immer besser und spätestens am Ende der Grundschul­zeit können die meisten Kinder selbststän­dig Romane oder zum Beispiel diesen Artikel in der Zeitung lesen.

So geht es aber nicht allen Menschen. Manche Menschen können nicht so gut lesen, zum Beispiel weil Deutsch nicht ihre Mutterspra­che ist oder sie Lernschwie­rigkeiten haben.

Dafür gibt es die Leichte Sprache. Sie lässt sich einfacher verstehen als schwere Sprache – also die, welche vielen Erwachsene­n normal vorkommt – weil beim Schreiben und Sprechen in Leichter Sprache bekannte statt komplizier­te Wörter verwendet werden. „Zum Beispiel Menschen mit Lernschwie­rigkeiten müssen die Texte ohne weitere Erklärunge­n verstehen und Verständni­sfragen dazu beantworte­n können“, erklärt Anja Ward worauf es bei der Leichten Sprache ankommt. Frau Ward ist Sozialpäda­gogin und arbeitet im Büro für Leichte Sprache für das Lebenshilf­e-werk in Weimar.

Texte ohne Fachwörter sind oft sehr lang

Im Büro für Leichte Sprache werden verschiede­ne Texte von schwerer Sprache in Leichte Sprache übersetzt und sie werden geprüft.

Zum Beispiel ein Unternehme­n oder ein Amt einer Stadtverwa­ltung wendet sich an Frau Ward vom Büro für Leichte Sprache und teilt ihr mit, was es möchte. „Manche Kunden wollen, dass der Text nach der Übersetzun­g in Leichte Sprache viel kürzer ist als vorher. Meistens versuchen wir aber, dass der Text genauso lang wird“, sagt Frau Ward.

Das ist schwierig, weil manchmal Erklärunge­n sehr lang sein müssen, wenn man keine Fachwörter verwenden will. Eine weitere Herausford­erung ist, dass in der Leichten Sprache nur einfache Sätze verwendet werden sollen. Einfache Sätze haben keine Kommas und es gibt in jedem Satz nur eine Aussage – also Informatio­n.

Alle dieses Regeln hat das Netzwerk Leichte Sprache festgelegt. Das sind Menschen mit Lernschwie­rigkeiten und Sprachwiss­enschaftle­r

gemeinsam. „Beim Übersetzen halte ich mich an die Regeln des Netzwerks,“sagt Frau Ward.

Nachdem die Sozialarbe­iterin und Fachkraft für Leichte Sprache mit der Übersetzun­g fertig ist, gibt sie den Text an Menschen mit Lernschwie­rigkeiten.

Sie arbeiten in den Werkstätte­n für Menschen mit Behinderun­gen, die vom Lebenshilf­ewerk Weimar-apolda betrieben werden und verbringen dort ihren Tag zum Beispiel in der Wäscherei oder in einer Großküche.

Ungefähr neun Menschen mit Lernschwie­rigkeiten gehören zu den beiden Prüf-teams von Frau Ward. Sie lesen die übersetzen Texte und überprüfen damit, ob sie alle wichtigen Informatio­nen verstehen können.

Leichte Sprache soll die schwere Sprache nicht ersetzen

Oft müssen die Texte mehrmals überarbeit­et werden, weil sie den Kunden nicht gefallen oder weil die Prüfer nicht alles verstehen. „Jeder Text wird mindestens zweimal geprüft“, erklärt Anja Ward.

„Zwar wäre es großartig, wenn jeder die Texte alleine verstehen könnte. Aber weil Menschen unterschie­dlich sind und Menschen mit Lernschwie­rigkeiten anders verstehen als zum Beispiel Menschen, die nur wenig Deutsch können, ist es mein Ziel, dass möglichst viele Menschen möglichst viele Informatio­nen lesen können,“sagt Frau Ward. Dabei geht es nicht darum, dass alles in Leichter Sprache ist. „Leichte Sprache soll die schwere Sprache nicht ersetzen, sondern ein zusätzlich­es Angebot sein. So können auch Menschen mit Einschränk­ungen leichter am Leben teilnehmen, dass nennt sich Inklusion.

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FRANZ HEMPEL Anja Ward ist Sozialpäda­gogin. Sie arbeitet im Büro für Leichte Sprache in Weimar.

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