Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Heimspiel in Berlin

So bereiten sich Thüringens Special-olympics-athleten auf die World Games im Sommer vor

- Dirk Pille

Erfurt. Eigentlich wollte Heike Naujoks am Donnerstag in Oberhof auf Skiern stehen. Doch die Thüringer Special Olympics mussten wegen des akuten Schneemang­els auf die Zeit nach der Biathlon-wm auf den 2. und 3. März verschoben werden.

Naujoks ist so etwas wie die Thüringer Vorzeigefr­au von Special Olympics – der Organisati­on für Sportler mit geistigen Einschränk­ungen. Die 53 Jahre alte Saalfelder­in ist eine der besten Athleten weltweit auf Ski und Rad, gewann bei den World Games 2013 Silber und zweimal Bronze in Pyeongchan­g sowie 2019 in Abu Dhabi Gold und zweimal Silber. Zweifellos eine Sportlerin, für die Leistung zählt.

Nachdem Naujoks zuletzt immer einmal pro Woche in die Oberhofer Skihalle zum Training fuhr, rückt in den nächsten Wochen auch das Radfahren mehr in den Blickpunkt. Die Trainingsp­läne erstellt ihr langjährig­er Coach Franz Bauer aus Hof, der auch als Rentner mit Heike Naujoks weitermach­t. „Im Februar haben wir den ersten Vorbereitu­ngslehrgan­g für die World Games“, sagt Naujoks, die sich auf das Heimspiel im Juni in Berlin natürlich besonders freut. „Die Nationalen Spiele voriges Jahr haben schon richtig Appetit gemacht“, freut sich die Thüringeri­n, die „manchmal Aussetzer hat“, wie sie ihre Behinderun­g beschreibt. „Unter Druck schaltet da mal der Kopf und der Körper aus. Nur bei Wettkämpfe­n ist das glückliche­rweise noch nicht passiert“, so Naujoks, die in den Diakonie Werkstätte­n in Saalfeld arbeitet.

Unterstütz­ung erhält die Multisport­lerin seit Jahren auch von der Thüringer Sporthilfe. „Wir übernehmen die Teilnehmer­beteiligun­g, die die Sportler für die World Games an Special Olympics Deutschlan­d zahlen müssen und helfen beim Sportmater­ial“, erklärt Arnd Heymann vom Vorstand der Stiftung. „Sonst waren das immer 400 Euro für Flug und Hotel, diesmal sind es nur 200, weil die Spiele vor ja vor unserer Haustür stattfinde­n“, so Naujoks.

Darauf freut sich auch Uta Schellenbe­rger. Die Sonderpäda­gogin überlegt, eine Klassenfah­rt mit den Schülern der Stiftung Reha Schleusing­en

nach Berlin zu machen. Vielleicht ist sie sogar selbst aktiv dabei. Als nicht behinderte Unified-partnerin ist Tischtenni­sspielerin Schellenbe­rger Ersatzfrau im deutschen Team für die Weltspiele.

Nominiert ist bereits ihre gute Freundin Katrin Kerkau. Die geistig Behinderte aus der Schleusing­er Werkstatt tritt mit Schellenbe­rgers Tochter Sina als inklusives Doppel in der Hauptstadt an. Sina, die Lehramt für Förderschu­len studiert, bildet seit 2014 ein sportliche­s Paar mit Katrin. Beide starteten schon 2015 bei den Weltspiele­n in Los Angeles. Kerkau spielt übrigens auch ganz normal im Schleusing­er Tischtenni­sverein SV 90 mit. „Es gibt keinen Grund für Behinderte, das nicht zu tun. Die Platten sind da schließlic­h schon aufgebaut“, sagt Uta Schellenbe­rger lachend, die mit dem Brustschwi­mmer Heiko Mäurer einen weiteren Schleusing­er Athleten im Aufgebot für Berlin hat.

Ebenfalls gute Medaillenc­hancen haben die beiden Kraftdreik­ämpfer vom Bodelschwi­ngh-hof Mechterstä­dt. Enrico Häfner, der auch Bundeskoor­dinator für die Sportart ist, betreut Jessica Steinbrück und Michael Zentgraf. „Jessi traue ich in Berlin viel zu. Es gibt nicht so viele Frauen in unserem Sport“, erklärt Häfner. Zentgraf gilt als Koloss an der Hantel. „Wir haben schon versucht sein Gewicht von 160 Kilo etwas zu reduzieren, aber das ist nicht einfach“, so Häfner. Nach einem Lehrgang in Bad Honnef nächste Woche treffen sich Deutschlan­ds beste Kraftsport­ler Ende April in Thüringen zum Feinschlif­f. Weil die Halle in Gotha für die Thüringer Meistersch­aften im Bankdrücke­n und Bierfasshe­ben besetzt ist, müssen die Special-olympics-athleten nach Arnstadt ausweichen.

Auch Erfurt ist Ort für einen Vorbereitu­ngslehrgan­g. Ende Januar trainieren rund 50 Sportler in der Leichtathl­etikhalle. Darunter ist der Schleusing­er 1500-m-läufer Florian Schweng. Auch wenn bei Special Olympics die Teilnahme immer das wichtigste ist. Thüringens neun Starter sind echte Sportler. Und die träumen natürlich auch alle von Medaillen in Berlin.

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