Worüber streiten die Erfurter, Herr Peter?
Seit 20 Jahren vermittelt Schiedsmann Steffen Peter bei Konflikten. Wie er das macht, erzählt er hier
Erfurt. Irgendwo in Erfurt lebt ein notorischer Querulant, der sich in den vergangenen Jahren nach und nach mit den Nachbarn seiner Straße angelegt hat – einem nach dem anderen. Irgendetwas das ihn störte, fand er regelmäßig. Mehrfach schon waren die jeweiligen Nachbarn gemeinsam mit besagtem Herren bei Steffen Peter zu Gast, um seine Dienste als Schiedsmann in Anspruch zu nehmen – und er konnte jedes Mal vermitteln.
Diese Anekdote erzählt Steffen Peter wertfrei. Mag sein, dass er sich seinen Teil dazu denkt, doch nach außen ist er neutral. Seit 2003 ist der 57-Jährige eine von zehn Schiedspersonen in Erfurt. Seine Aufgabe ist es, zwischen Streitenden zu vermitteln, um Konflikte außergerichtlich beizulegen. Diese betreffen meist Streitigkeiten unter Nachbarn wegen Beleidigung, Beschimpfung, Bedrohung, Körperverletzung, Sachbeschädigung oder wegen Grenzen zwischen Grundstücken und den damit verbundenen
Rechten und Pflichten. Der fast schon sprichwörtliche Apfelbaum, der auf das Nachbargrundstück ragt, dort seine Früchte verliert und zum Zankapfel wird, klingt wie ein Klischee, ist aber ein klassisches Beispiel für die Vermittlungsarbeit, bestätigt Steffen Peter.
Jeder Bürger kann die Hilfe der Schiedsstellen in Anspruch nehmen. Die Frauen und Männer machen das ehrenamtlich. Besondere Voraussetzungen braucht es nicht.
„Eine gewisse Lebenserfahrung und gesunder Menschenverstand sind das wichtigste“, fasst Steffen Peter zusammen. Für alles weitere gebe es Grundkurse im Privatrecht, Strafrecht und Nachbarschaftsrecht und regelmäßige Treffen auf Verbandsebene.
Das Ziel der Schiedspersonen ist die Beilegung des Konflikts. „Unzufriedenheit kann über Jahre wachsen und sich irgendwann an Kleinigkeiten hochschaukeln. Bei Nachbarn ist es manchmal wie in einer Ehe – man lebt sich auseinander. Die Frage ist dann, wie man wieder auf eine normale Ebene der Kommunikation zurückfindet“, erklärt Steffen Peter. Oft helfe es schon, wenn er sich als unbeteiligter Dritter beide Seiten anhöre, die Perspektiven verstehe und damit beginne, die Spielräume auszuloten, in denen sich die Streithähne aufeinander zu bewegen könnten. Derartige Tür-und-angel-fälle, ohne dass ein formales Verfahren daraus folge, seien gar nicht so selten.
„Manche Lösung für einen Streit kann man aus dem Bauch heraus entscheiden. Natürlich muss der Kompromiss Recht und Gesetz entsprechen. Aber zur Beilegung eines Streits kann man auch Dinge vereinbaren, die nicht unbedingt einem spezifischen Paragrafen entsprechen“, sagt Steffen Peter. Eine von beiden Seiten unterschriebene und vom Schiedsamt mit Dienstsiegel bestätigte Vereinbarung ist 30 Jahre lang bindend. Auch Sanktionen werden festgelegt, wenn die Vereinbarung gebrochen wird. So ein Dokument ist die höchste Stufe der Streitbeilegung. Hierfür treffen sich die Streitenden und loten in von Steffen Peter moderierten Sitzungen eine Abmachung aus.
Zwei Drittel der Streits werden beigelegt
Auch hierbei ist ein wesentlicher Schritt, beide Seiten zum Reden zu bringen. Die Verhandlung läuft nach einem festen Muster ab. Der Sachverhalt wird vorgetragen, dann folgt die Darstellung der Gegenseite. Die Suche nach dem Kompromiss gleicht einer Art sokratischem Dialog. Mit gezielten Fragen versucht Steffen Peter, die Parteien an eine Übereinkunft heranzuführen. „Es ist nicht so, dass ich einfach eine Lösung in den Raum werfe. Ich frage, was passieren müsste, damit man sich verträgt. Welche Bereitschaft besteht, aufeinander zuzugehen. Welche Vorstellungen gibt es. So taste ich mich voran und unterbreite irgendwann einen Vorschlag“, erklärt Steffen Peter.
Etwa zwei Drittel der von ihm behandelten Fälle werden gütlich entschieden. Dass sich Steffen Peter, der im Hauptberuf für eine Hausverwaltung arbeitet, in seiner Freizeit mit den Konflikten anderer Leute beschäftigt, hat auch mit seinem Vater zu tun. Der arbeitete als Staatsanwalt. So wiederum wurde Steffen Peter bei Streit häufiger um Rat gefragt.
„Du kennst Dich doch aus, hieß es immer. Irgendwann wies mich jemand zu Recht darauf hin, dass ich nicht einfach juristische Ratschläge geben kann. Später bin ich auf das Schiedsamt aufmerksam geworden. Seitdem darf ich offiziell klug tun“, sagt Steffen Peter und lacht.