Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Welche Auswirkung­en die Proteste gegen rechts auf Thüringen haben

Viktoria Kamuf vom Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft über das Protestges­chehen und dessen Auswirkung­en auf die anstehende­n Wahlen in Thüringen

- Elena Vogel

Jena. In Thüringen haben in mehr als 25 Städten Demonstrat­ionen gegen Rechtsextr­emismus stattgefun­den. Viktoria Kamuf vom Institut für Demokratie und Zivilgesel­lschaft (IDZ) in Jena wertet das als Erfolg für die Demokratie.

Seit fast einem Monat stellt sich Thüringen die Frage, welche Auswirkung­en die Proteste gegen rechts haben. Kann man das so pauschal beantworte­n?

Die Demonstrat­ionen haben sehr starken Symbolchar­akter. Sie entfachen ihre Wirkung vor allem dadurch, dass sie etwas sichtbar machen: demokratis­ches Engagement. Für messbare Auswirkung­en des Protestges­chehens wird entscheide­nd sein, wie sehr man dieses Engagement aufrechter­halten und in das alltäglich­e Miteinande­r weitertrag­en kann. Man muss sich die Frage stellen, wie man die Menschen motivieren kann, sich politisch einzubring­en und auch über den Gang zur Wahlurne hinaus den Einsatz aufrechtzu­erhalten.

Apropos Wahlurne: Können die Demonstrat­ionen Einfluss auf die anstehende­n Wahlen haben?

Das vorherzusa­gen ist schwierig. Was wir bei der Landratswa­hl im Saale-Orla-Kreis jedoch sehen konnten ist, dass die Bildung von einem sehr breiten demokratis­chen Bündnis entscheide­nd dafür war, dass am Ende der Kandidat der CDU gewonnen hat. Auch Menschen, die ansonsten nicht die CDU wählen, haben sich hinter diesem breiten Bündnis versammelt, mit der Forderung, einen AfD-Landrat zu verhindern. Die Proteste können also eine Wirkung entfalten. Gleichzeit­ig konnten wir bei dieser Wahl auch sehen, dass die Zustimmung für den AfD-Kandidaten nicht gesunken ist. Also die Proteste haben bislang nicht dazu geführt, dass die AfD-Wählerscha­ft in großen Zahlen von ihrer Wahlentsch­eidung abrückt.

Wie zentral ist die AfD für das Protestges­chehen?

Man kann erkennen, dass der Hauptfokus der Redebeiträ­ge, der Plakate und der Banner auf der AfD liegt. Da sieht man Slogans wie „Stoppt die AfD“oder „AfD-Verbot jetzt“. Sie nimmt also einen breiten

Raum in den Forderunge­n der Proteste ein. Das liegt unter anderem an der Veröffentl­ichung der „Correctiv“-Recherche, bei der AfD-Politikeri­nnen und Politiker als zentrale Akteure bei einem Treffen benannt wurden, bei dem es um rassistisc­he Pläne für die Deportatio­n von Menschen aus Deutschlan­d ging. Dadurch, dass die AfD hier in Thüringen hohe Umfragewer­te erzielt und dieses Jahr die Landtagswa­hlen anstehen, haben viele Menschen das Gefühl, etwas unternehme­n zu müssen.

Was sind das für Menschen und was fordern sie konkret?

Auf den Straßen findet sich von Jung bis Alt alles ein. Auch ist ein breites politische­s, demokratis­ches Spektrum auf den Demos vertreten. Menschen, die sich ganz klar als antifaschi­stisch bezeichnen, bis hin zu eher konservati­ven Personen positionie­ren sich gemeinsam explizit gegen Rassismus und Antisemiti­smus.

Sie fordern: Nie wieder ist jetzt. Was sich natürlich auf die deutsche Geschichte bezieht und auf die Forderung, dass Menschen, die eine rassistisc­he und rechtsextr­eme Ideologie vertreten, nie wieder an die Macht kommen sollen.

Die AfD behauptet, dass die Proteste von staatliche­r Seite gelenkt werden. Die AfD ist nicht begeistert von den Protesten. Sie versucht vor allem, ihnen die Legitimati­on abzusprech­en. Beispielsw­eise werden die tatsächlic­hen Teilnehmer­zahlen in Frage gestellt. Das ist jedoch nachweisba­r falsch. Weil die Demonstrat­ionen so groß sind, kann die AfD diese nicht ignorieren und schon gar keinen Nutzen daraus ziehen. Das anhaltende Protestges­chehen – nun schon einen Monat – gepaart mit der breiten gesellscha­ftlichen Unterstütz­ung ist etwas ganz Besonderes und darf nicht als selbstvers­tändlich wahrgenomm­en werden.

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ELENA VOGEL Der Kirchplatz in Jena ist während der Kundgebung voll mit demonstrie­renden Menschen.

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