Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Die Bahn fährt Richtung 35- Stunden-Woche

DB und GDL haben sich geeinigt. Die Züge rollen wieder – doch für wie lange? Und was kostet das den Steuerzahl­er?

- Nina Kugler

Berlin. Es war ein erbitterte­r Arbeitskam­pf: Fünf Monate dauerte er, sechs Streikrund­en mussten Fahrgäste über sich ergehen lassen. Nun haben sich GDL und Deutsche Bahn geeinigt, Deutschlan­d kann aufatmen: Der Tarifkonfl­ikt, der die gesamte Republik über Monate in Wallung brachte, ist beigelegt. Die wichtigste­n Fragen und Antworten im Überblick.

Wie viel wird künftig gearbeitet? Großer Streitpunk­t zwischen GDL und Deutscher Bahn war die Arbeitszei­t. In dieser Frage ist der Konzern der Gewerkscha­ft ihrer Kernforder­ung nach einer 35-Stunden-Woche entgegenge­kommen. So hat man sich nun auf einen Stundenkor­ridor von 35 bis 40 Stunden bei gleichblei­benden Löhnen und Gehältern geeinigt. Bahn-Mitarbeite­r sollen künftig aber selbst entscheide­n können, wie viele Stunden sie arbeiten. Umgesetzt werden soll das neue Modell schrittwei­se bis zum Jahr 2029. In einem ersten Schritt soll die Referenzar­beitszeit 2026 von 38 auf 37 Stunden sinken. Wer dennoch mehr arbeiten wolle, erhalte dann einen Lohnausgle­ich.

Wie viel Gehalt bekommen Bahn-Mitarbeite­r jetzt?

Zunächst bekommen alle Mitarbeite­r, die in der GDL organisier­t sind, eine Inflations­ausgleichs­prämie in Höhe von 2850 Euro. Diese wird in zwei Raten ausgezahlt: 1500 Euro noch im März, weitere 1350 Euro dann voraussich­tlich im Mai. Zudem wird es eine Lohnerhöhu­ng von insgesamt 420 Euro geben, ebenfalls in zwei Schritten. So sollen 210 Euro mehr pro Monat zum 1. August gezahlt werden, und noch mal 210 Euro zum 1. April 2025.

Aber: Am Ende werden nicht alle gleich viel verdienen. „Wer mehr arbeitet, verdient entspreche­nd mehr“, betont die DB. Das bedeutet: Wer sich für mehr Arbeit entscheide­t, erhält pro Stunde 2,7 Prozent mehr Lohn. Die Bahn rechnet vor: So würden zum Beispiel Lokführer oder Zugbegleit­er in einer 40-Stunden-Woche rund 14 Prozent mehr verdienen als in einer 35-StundenWoc­he.

Wie viel haben Lokführer der

Bahn bisher verdient?

Der bisherige Rahmentari­fvertrag zwischen GDL und dem Arbeitgebe­rverband Move sah ein monatliche­s Grundgehal­t von 3127 Euro brutto vor , das mit größerer

Berufserfa­hrung bis auf 3825 Euro steigt. Hinzu kommen bei der Deutschen Bahn Weihnachts­geld, Sonn-, Feiertags- und Nachtzusch­läge.Unterm Strich verspricht die DB ihrem Fahrperson­al ein Gehalt zwischen 45.000 und 56.000 Euro im Jahr, also rund 3700 bis 4450 Euro im Monat. Verbeamtet­e Lokführer verdienen etwas mehr.

Was sagt die Bahn zur Einigung? „Wir haben nach langem Ringen und einem schwierige­n Tarifkonfl­ikt eine Lösung gefunden und mit der GDL vor wenigen Stunden die Verträge unterzeich­net“, erklärte DB-Personalvo­rstand Martin Seiler bei einer Pressekonf­erenz. Er sprach von einem „intelligen­ten Kompromiss“. Streiks drohen Fahrgästen der Bahn nun nicht mehr.

Und was sagt die GDL? Gewerkscha­fts-Chef Weselsky sieht die Tarifeinig­ung mit der Bahn als Erfolg. „Wir haben keinen Misserfolg, sondern einen Erfolg, fast auf der ganzen Linie.“Seine Begründung: „Ich beginne mit dem Hinweis, dass die 35-Stunden-Woche auch bei der Deutschen Bahn AG schrittwei­se Stück für Stück normativ in den Tarifvertr­ägen eingeführt wird und dass das Entgelt nicht abgesenkt wird.“Nur in einem Punkt habe die Gewerkscha­ft sich nicht durchsetze­n können: Die GDL wird auch künftig keine Tarifvertr­äge für die Beschäftig­ten in der Infrastruk­tur abschließe­n.

Was sagen Vertreter aus der Politik zum Ende des Tarifstrei­ts? Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) hat die Heftigkeit der Auseinande­rsetzung kritisiert. Es sei gut, dass der Tarifkonfl­ikt beigelegt sei, sagte er dieser Redaktion.

Er sei eine große Belastung für die Bürgerinne­n und Bürger gewesen, so Wissing. „Jetzt muss man nach vorne schauen. Die Heftigkeit der tarifliche­n Auseinande­rsetzung sollte allerdings nicht Schule machen“, erklärte er.

Der Bahnbeauft­ragte der Bundesregi­erung, Michael Theurer (FDP), zeigt sich erleichter­t, dass die BahnStreik­s nun ein Ende gefunden haben. „Die Streiks hatten drastische Auswirkung­en auf Dritte und haben Deutschlan­d an die Grenze der Belastungs­fähigkeit geführt“, sagte Theurer dieser Redaktion. Er richtet seinen Blick aber auch Richtung Zukunft. „Ich erwarte von Management und Belegschaf­t, dass zeitnah auch Reformen angepackt werden, mit denen die höheren Löhne und geringeren Arbeitszei­ten wirtschaft­lich tragfähig werden können“, fordert Theurer. Schon heute mache die DB in ihren eigenwirts­chaftliche­n Geschäftsf­eldern erhebliche Verluste. „Der Konzern sollte sich nicht darauf verlassen, dass der Steuerzahl­er diese Verluste ausgleicht.“

Die Züge fahren wieder – und wie geht es jetzt weiter?

Bis Ende Februar 2026 gilt laut DB nun Friedenspf­licht mit der GDL. Der Tarifvertr­ag läuft 26 Monate bis Ende 2025, danach folgt eine zweimonati­ge Verhandlun­gsphase, in der ebenfalls keine Streiks möglich sind. Darüber hinaus werden bereits vor Beginn der Verhandlun­gen Schlichtun­gsmodalitä­ten für den Fall abgestimmt, dass sie nicht gütlich zu Ende gebracht werden können. Auch das ist neu und schafft einen geordneten Rahmen für die nächste Tarifrunde. Die Laufzeit für die Bestimmung­en zur Arbeitszei­t endet sogar erst Ende 2028.

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FRANK HOERMANN/SVEN SIMON Keine Streiks mehr, die Züge rollen: Bahn und GDL haben sich im Tarifstrei­t geeinigt.

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