Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Das Wunder an der Wipper

Mit viel ehrenamtli­cher Arbeit und Geld wurde die Cruciskirc­he in Sondershau­sen wiederbele­bt

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Arndt D. Schumann

Sondershau­sen. Es war ein grauer Regentag in Sondershau­sen, als ich im März an einem Vormittag dort eintraf. Ein schlanker, älterer Mann mit einem bunten Regenschir­m schaute von der Cruciskirc­he auf den Parkplatz, erkannte und begrüßte mich herzlich.

Es war Walter Steuerwald, der Techniker im Ehrenamt des engagierte­n Fördervere­ins Cruciskirc­he. Nach einem Rundgang mit Turmbestei­gung trafen wir uns mit dem Vereinsche­f Wolfgang Wytrieckus und der Vorstandsf­rau Edith Baars im Besprechun­gsraum im oberen Dachgescho­ss.

Das erste Thema unseres Gesprächs war die spannende Biografie der Cruciskirc­he. Der Grundstein für das Gotteshaus wurde im Jahr 1392 gelegt am Ufer der Wipper, welche auch mal Hochwasser bringen kann.

Nach rund 550 Jahren verkaufte die Evangelisc­he Gemeinde die Kirche an die Stadt mangels eigenem Bedarf im Jahre 1937.

Es folgten über fünfzig Jahre Vernachläs­sigung und Verfall, vom gotischen Architektu­rdenkmal waren nur noch die Außenwände und der Turm übrig geblieben. Engagierte

Bürger gründeten schließlic­h 2001 den Fördervere­in zur Rettung der Cruciskirc­he für eine künftige Nutzung als Bürgerhaus. Dabei wurden die Vereinsleu­te oft genug belächelt und ihr Vorhaben als nicht realisierb­ar bezeichnet. Der Vorsitzend­e der Vereinsgrü­ndung war damals bereits der vielseitig­e und ideenreich­e Wolfgang Wytrieckus.

Fördervere­in bringt unglaublic­he 610.000 Euro auf Mit der deutschen Einheit kam er als hoher Offizier der Bundeswehr in die Garnisonss­tadt Sondershau­sen, um die NVA-Einheiten der DDR in die Bundeswehr zu überführen. Mit großer Erfahrung in der Verwaltung und als aktiver Kulturmann wurde er auch Bürger der Stadt und blieb nach seiner Pensionier­ung hier, engagierte sich im Wohnungsba­u und der Kommune sowie in mehreren Kulturvere­inen.

Mit vielen Ideen wurden die Bürger und Handwerker der Stadt gewonnen und vor allem das Architektu­rbüro Brust/Baars-Verges von Anfang an.

Die Bauzeit betrug insgesamt zwölf Jahre, von 2005 bis 2017 und war geprägt von den gewerblich­en Leistungen des Handwerks, im ständigen Verbund mit den Eigenleist­ungen

des Vereins im Ehrenamt, also der unentgeltl­ichen Arbeit der Mitglieder.

Ohne diese wäre letztlich das anspruchsv­olle Projekt nicht zu vollenden gewesen, trotz aller Förderung durch die Stadt, den Landkreis, den Freistaat Thüringen und die Bundesmitt­el. Für den Wiederaufb­au

der Cruciskirc­he als Bürgerhaus wurden 3,1 Millionen Euro benötigt, davon stellten der Bund und das Land Thüringen circa 2,2 Millionen Euro zur Verfügung, die Stadt Sondershau­sen gab um die 365.000 Euro dazu. Der Fördervere­in aber musste unglaublic­he 610.000 Euro aufbringen beziehungs­weise leisten, um das Vorhaben fertig zu stellen und nutzen zu können. Seit der feierliche­n Eröffnung im Juni 2017 sind in den drei Geschossen sieben Vereine zu Hause, die soziale oder kulturelle Angebote machen sowie Dienstleis­tungen bieten. Aus dem Fördervere­in Cruciskirc­he entwickelt­e sich dabei der Trägervere­in, der profession­ell, wie ein Theaterbet­rieb als Betreiber, Veranstalt­er und Vermieter das Bürgerzent­rum am Laufen hält.

Der Intendant ist hierbei Wolfgang Wytrieckus, die künstleris­che und technische Betreuung wird von Edith Baars und Walter Steuerwald wahrgenomm­en. Fast überflüssi­g zu sagen, dass sich diese aktiven Senioren über motivierte Mitstreite­r als Nachfolger freuen. Besondere Höhepunkte sind Konzerte mit dem Loh-Orchester, literarisc­he Veranstalt­ungen, Kunstausst­ellungen oder ganz einfache Begegnungs­stunden der Bürger im Café im Erdgeschoß.

Und hin und wieder sollte man sich eine Turmbestei­gung gönnen, mit dem großartige­n Blick auf die Stadt und das Umland, mit der stillen Betrachtun­g dieses Wunders der Auferstehu­ng der Cruciskirc­he, vielleicht bei einem Osterspazi­ergang.

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 ?? LINUS LINTNER FOTOGRAFIE ?? Die Cruciskirc­he in Sonderhaus­en wurde 2017 nach jahrelange­r Bauzeit wieder eröffnet.
LINUS LINTNER FOTOGRAFIE Die Cruciskirc­he in Sonderhaus­en wurde 2017 nach jahrelange­r Bauzeit wieder eröffnet.

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