WM-Medaillen im Dutzend
Von hungrigen Bobsportlern bis zu einer historischen Skilanglauf-Leistung – die große Thüringer Wintersport-Bilanz
Dirk Pille, Steffen Eß und Marco Alles
Erfurt. Thüringens Wintersportler müssen sich zwei Jahre vor den Olympischen Spielen in Mailand und Cortina d’ Ampezzo nicht verstecken. In vielen Disziplinen gehören die Athleten vom Rennsteig weiter zu den deutschen Spitzenkräften. Bei den Weltmeisterschaften im Rodeln, Bob, Skeleton und Biathlon holten die Thüringer überwältigende zwölf Medaillen (sechs Gold, drei Silber, drei Bronze). Dazu gelang Langläuferin Viktoria Carl im Weltcup eine historische Leistung.
Bobsport
In der deutschen Wintersportart Nummer eins krönte sich Lisa Buckwitz (BRC Thüringen) in Winterberg. Nach Monobob-Bronze eroberte sie überraschend mit Anschieberin Vanessa Mark (Frankfurt) den Zweier-Titel. Zudem holte sie im Monoschlitten ihren ersten Gesamtweltcup-Triumph. „Ich habe mich weiterentwickelt und wurde belohnt“, sagte die Potsdamerin.
Adam Ammour heißt der Aufsteiger der Saison. Mit seinem Bruder Issam forderte der 22-jährige WahlOberhofer Bob-König Francesco Friedrich heraus und holte WM-Silber im Zweier und Bronze im Vierer. „Adam ist jetzt auch eine unserer großen Hoffnung für Olympia“, sagte ein begeisterter Bundestrainer René Spies, der mit seinen Aktiven alle Titel in dieser Saison gewann.
Biathlon
Eine Bronzemedaille mit der deutschen Frauenstaffel war die einzige Ausbeute von Vanessa Voigt bei der WM in Nove Mesto. Auch der seit 2016 in Oberhof trainierende und mittlerweile in Erfurt lebende Justus Strelow hatte vergeblich um Edelmetall gekämpft. Das deutsche Skimaterial war bei den hohen Temperaturen zu selten konkurrenzfähig. Mit Philipp Horn reiste auch der dritte Athlet vom Stützpunkt Oberhof enttäuscht aus Tschechien ab.
Auch wenn es beim Höhepunkt nicht wie gewünscht klappte, machten Voigt und Strelow über die gesamte Saison gesehen einen Schritt nach vorn. Die 26-Jährige war als beste Deutsche Achte im Gesamtweltcup – und damit so gut wie noch nie. Auch Strelow liefert auf Rang 14 sein bestes Ergebnis. Zudem errangen beide gemeinsam im SingleMixed ihren ersten Weltcup-Sieg.
Eisschnelllauf
Erstmals kein Startplatz bei der WM über die Langstrecken. Für die deutschen Eisschnellläufer ging der Saisonhöhepunkt über die Einzelstrecken mit einer weiteren Enttäuschung her. Lichtblicke gab es dennoch. Nicht zuletzt aus Thüringen. Josie Hofmann (Gera) ließ den Verband mit Josephine Schlörb (Dresden) und Lea Sophie Scholz (Mylau) aufatmen. EM-Silber in der Teamverfolgung bedeutete die erste EM-Medaille seit 2018. Einen weiteren Entwicklungsschritt der Erfurter Trainingsgruppe untersetzten Hendrik Dombek (München) und
Moritz Klein (ESC) noch einmal mit Bestleistungen im Sprint-Mehrkampf bei der Heim-WM. Dombek kam als Neunter über 1500 m aufs beste Ergebnis im Gesamtwelt-Cup.
Eine Thüringer Sorgendisziplin. Vorbei sind die Zeiten von Ronny Ackermann und Co. Einzig Maria Gerboth (Schmiedefeld) gehört derzeit zur Weltspitze. Die Kombiniererin schaffte im Gesamtweltcup als Zehnte den Sprung in die Top 10, wurde einmal Sechste. Doch die Frauen sollen bei Olympia 2026 nach IOC-Beschluss wohl nicht dabei sein, wenn Gastgeber Italien nicht doch noch eine Wildcard für die Winter-Zweikämpferinnen ausstellt. Bei den Männern heißt es für Thüringen auf Talente wie JuniorenTeam-Weltmeister
Richard Stenzel aus Zella-Mehlis warten.
Rennrodeln
Auf Oberhofs Rodler ist Verlass. Bei der Heim-WM in Altenberg retteten Max Langenhan mit Einzel-Gold und Sprint-Silber sowie Julia Taubitz in umgekehrter Silber-GoldReihenfolge die deutsche Bilanz. Auch beim Team-Triumph waren der Friedrichrodaer Langenhan und die Wahl-Oberhoferin Taubitz wichtige Stützen. Die Gesamtweltcups sicherten sich die neuen Topstars vom Rennsteig vorzeitig. Taubitz, die weiter für Oberwiesenthal startet, sagte: „Das war meine beste Saison.“Einer Aussage, der sich Langenhan nur anschließen konnte. Auch der Ilmenauerin Dajana Eitberger gelang mit Platz drei im
Gesamtweltcup in ihrer PremierenSaison im Doppel mit Saskia Schirmer (Berchtesgaden) ein starkes Ergebnis. Zudem gehörte das Doppel zum Team, das WM-Gold feierte. Hannes Orlamünder und Paul Gubitz landeten im Gesamtweltcup auf Rang vier. Thüringer Rodler sind in allen Disziplinen Olympiakandidaten mit Medaillenchancen.
Skeleton
Olympiasieger Christopher Grotheer vom BRC Thüringen demonstrierte bei der WM in Winterberg seine ganze Stärke, holte erst Einzelund dann Team-Gold mit Hannah Neise (Winterberg). Hätte der Erlauer sich im Weltcup-Finale beim Start nicht verletzt, wäre auch die große Kristallkugel an den gebürtigen Harzer gegangen. Eine Zusage für Olympia wollte der 31-Jährige noch nicht geben. Er wolle von Jahr zu Jahr mit der Familie entscheiden.
Bei den Frauen nährt ein Thüringer Talent Hoffnungen für die Zukunft. Die Schmalkalderin Viktoria Hansova holte beide WM-Titel bei den Juniorinnen und in der U23.
Skilanglauf
Es war die Saison der Victoria Carl. Der Olympiasiegerin vom SC Motor Zella-Mehlis gelang mit Platz vier im Gesamtweltcup und Rang zwei in der Distanzklasse (ohne Sprint) – ein für Deutschland historischer Erfolg. Zudem feierte die 28Jährige in Trondheim über 10 km klassisch ihren ersten Weltcupsieg und wurde in Lahti zum Abschluss hauchdünn Zweite. Mit Katherine Sauerbrey, Lisa Lohmann und Helen Hoffmann standen weitere vier Langläuferinnen vom Rennsteig im Aufgebot. Bei den Männern erhielten Jan Doerks und Jakob Walther ihre ersten Einsätze im Weltcup.
Skispringen
Mit dem Kreuzbandriss von Luisa Görlich in Planica endete die Saison für die Lauschaerin schmerzhaft. Görlich und die Ruhlaerin Juliane Seyfarth sprangen im Weltcup regelmäßig ins Finale der besten 30. Doch von den Top 10 waren sie weit entfernt. Pauline Heßler (Lauscha) hatte Verletzungssorgen. Zu einigen Weltcup-Einsätzen kam Felix Hoffmann (Goldlauter), dem aber der Durchbruch noch nicht gelang.