Die Schiffscrew funkte noch „Mayday“
Containerfrachter bringt 2,6 Kilometer lange Brücke in den USA zum Einsturz. Mehrere Autos fallen in die Tiefe
Berlin. Die Auffahrt zur Key Bridge endet im Nichts. Bis in der Nacht zu Dienstag überspannte die 2,6 Kilometer lange Brücke mit ihren vier Fahrspuren den Patapsco River nahe der US-Metropole Baltimore. Nun ragen nur noch ihre Stahlgerüste aus dem Wasser. Videos in den sozialen Medien zeigen den Moment des Einsturzes: Vor den blinkenden Lichtern des Hafens verliert die Brücke plötzlich ihre Form und stürzt zusammen. Bei Tagesanbruch hängen Teile davon noch immer quer über dem Bug des Containerschiffes, das sie zu Fall brachte.
Die Besatzung des Containerschiffes hat offiziellen Angaben zufolge kurz vor dem Zusammenstoß ein Notsignal abgesetzt. Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, sagte bei einer Pressekonferenz, die Schiffscrew habe noch „Mayday“gefunkt. So seien Menschenleben gerettet worden, da die Behörden einen Teil des Straßenverkehrs über die Brücke stoppten, so Moore. „Diese Leute sind Helden. Sie haben letzte Nacht Leben gerettet.“
Das Schiff habe sich mit einer „schnellen“Geschwindigkeit von acht Knoten (rund 14,5 Stundenkilometer) fortbewegt, als die Besatzung die Behörden informierte, dass es keinen Strom mehr habe, fuhr Moore fort. Daraufhin hätten die Behörden sich beeilt, Autos von der Francis-Scott-Key-Brücke südöstlich des Stadtzentrums von Baltimore fernzuhalten. Das unter der Flagge Singapurs fahrende Containerschiff „Dali“hatte in der Nacht einen Brückenpfeiler gerammt, was den Einsturz der Brücke nach sich zog.
Mit Booten und Hubschraubern nach Vermissten gesucht
Um 1.35 Uhr Ortszeit erhielt die Polizei in Baltimore nach eigenen Angaben die ersten Notrufe. Was folgte, war die aufwendige Suche nach Vermissten, die im Wasser vermutet wurden. Wie Paul Wiedefeld, Senator im US-Bundesstaat Maryland mitteilte, handelt es sich zunächst um acht Personen. Sie alle waren Teil eines Arbeitstrupps, der zur Zeit des Einsturzes Schäden an der Fahrbahn reparierte. Zwei von ihnen konnten bereits am späten Vormittag deutscher Zeit gerettet werden. Eine Person sei unverletzt, die andere „in sehr ernstem Zustand“in ein Krankenhaus eingeliefert worden, hieß es. Den Behörden zufolge wurden am Abend noch sechs Menschen vermisst.
Baltimore
Bei einer Wassertemperatur von rund neun Grad und schlechter Sicht gestaltete sich der Einsatz für die angeforderten Taucher denkbar schwierig. Solche Temperaturen können für Menschen nach etwa drei Stunden tödliche Folgen haben, berichtete CNN. Auch die nahende Flut machte die Suche zu einer Herausforderung. Boote und Hubschrauber waren ebenfalls im Einsatz.
Das Schiff trieb unweit der Einsturzstelle im Wasser. Der 290 Meter
lange Frachter war auf dem Weg nach Colombo in Sri Lanka. Das von der Chartergesellschaft Synergy Group betriebene Schiff sei von Maersk auf Zeit gechartert worden, hieß es in einer Mitteilung des dänischen Reedereiunternehmens Maersk, dass hinter der französischen MSC die weltweit zweitgrößte Containerreederei ist. Auf dem Schiff selbst gebe es keine Verletzten, berichtete die „New York Times“.
Gouverneur Moore rief den Notstand aus. Man arbeite teamübergreifend zusammen, um nun schnell auch von der US-Regierung Hilfe anfordern zu können, hieß es in einer Stellungnahme auf X. Das Weiße Haus bot seine Unterstützung an. Man sei in Gedanken „bei den Familien der Vermissten nach diesem furchtbaren Vorfall“. Anwohner zeigten sich schockiert. Wie ein vorbeirauschender Zug habe es geklungen, als die Brücke zusammenbrach, berichtete ein CaféInhaber der BBC. Eine andere Anwohnerin sprach unter Tränen von einer „katastrophalen“Erschütterung, die durchs ganze Haus ging. Über den Verlust der Key Bridge zeigte sich die Frau untröstlich: „Es war die Brücke der Brücken.“
Die Francis Scott Key Bridge führte als Teil der Autobahn Interstate 695 über den Patapsco-Fluss und den Hafen der Metropole Baltimore im Nordosten der USA. Eröffnet wurde sie im Jahr 1977 nach fünfjähriger Bauphase. Wie die Regierung im Bundesstaat Maryland in einem Bericht mitteilte, passierten allein im vergangenen Jahr 12,4 Millionen Fahrzeuge die wichtige Verkehrsachse.
Gouverneur Moore betonte, es deute nichts darauf hin, dass strukturelle Mängel zum Einsturz geführt haben könnten. „Die vorläufige Untersuchung deutet auf einen Unfall hin.“Es gebe auch keine Hinweise auf einen Terroranschlag. Ein Ermittler der Bundespolizei FBI äußerte sich ähnlich.