Wie Amazon seine ersten 1000 Mitarbeiter auswählt
Ende Mai eröffnet der Versandhändler sein größtes deutsches Logistikzentrum in Stotternheim. Ein Besuch im Einstellungsbüro
Erfurt. Manch ein Jobsuchender, der in den letzten Wochen ein Bürohaus am Erfurter Spielbergtor betreten hat, verließ das Gebäude eine gute Stunde später mit einem unterschriebenen Arbeitsvertrag in der Hand. Aber nicht immer geht es so schnell, sagt Maryam Atallah. „Manchmal fehlt ein Dokument, etwa die Steuernummer oder der Versicherungsnachweis“, berichtet sie. „Dann braucht es einen zweiten Termin.“
Maryam Atallah ist die Personalplanerin für neue Amazon-Standorte in Deutschland. Aktuell arbeitet sie am Spielbergtor nahe des Erfurter Hauptbahnhofs, wo der OnlineHändler ein Einstellungsbüro für sein Logistikzentrum in Stotternheim eingerichtet hat. Das Logistikzentrum ist der bislang größte Amazon-Standort in Deutschland und soll Ende Mai mit zunächst 1000 Mitarbeitern in Betrieb gehen.
Gleichzeitig bis zu zehn Bewerbungsgespräche
14 Mitarbeiter und 400 Quadratmeter Nutzfläche hat allein das Einstellungsbüro. Bis zu zehn Bewerbungsgespräche können gleichzeitig geführt werden. Jobs werden hier wie am Fließband vergeben – kein Wunder, bei rund 300 Bewerbungen pro Woche. „Es läuft sehr gut“, bestätigt Maryam Atallah. „Online und hier sind bisher knapp 4300 Bewerbungen eingegangen.“Mit knapp 600 unterschriebenen Verträgen ist das Unternehmen seinem Zeitplan leicht voraus. Rund 200 Fach- und Führungskräfte wurden darüber hinaus bereits eingestellt.
Bewerber und Interessenten nehmen am Spielbergtor zunächst in einem Warteraum Platz, wo Info-Videos laufen. Dann geht es nacheinander zur Registrierung, zum kleinen Fotostudio, wo das Lichtbild für den Arbeitsausweis geknipst wird, und zum Hebe- und Lesetest.
Dieser Test wird in einer Nische durchgeführt, in der farbige Transportkisten und ein Ikea-Regal stehen. Das weiße Holzregal simuliert die gelben Textilregale, mit denen es die Mitarbeiter später im Logistikzentrum zu tun haben werden. In den Regalen in Stotternheim sind in normalen Zeiten 26 Millionen Artikel verstaut. Beim Test sollen die Bewerber beweisen, dass sie eine Kiste mit bis zu 15 Kilo heben können – ein Gewicht, das nur bei einigen Arbeitsplätzen und auch dort nur selten wirklich anfalle, sagt der Personal-Koordinator Kevin Meehan. Stapel- und Sortieraufgaben, die in Deutsch und Englisch auf Karteikarten stehen, müssen gelöst werden. Dann kann der Arbeitsvertrag theoretisch schon unterschrieben werden.
Ralf Mitschke, Teamleiter des gemeinsamen Arbeitgeberservice von Arbeitsagentur und Jobcenter, kann der Rekrutierungsstrategie von Amazon einiges abgewinnen. „Das Unternehmen bedient alle Kanäle und bietet einen niedrigschwelligen Prozess“, sagt er. Nicht zuletzt stellten die Arbeitsplätze über das Bundesprogramm „Job-Turbo“auch Chancen für Geflüchtete dar, die gerade ihre Deutsch-Kurse absolviert haben.
Trotz zahlreicher anderer Logistik-Großbetriebe in Erfurt sieht Ralf Mitschke durchaus noch Potenzial für Arbeitsplätze im Logistikbereich. In Mittelthüringen seien schließlich noch 22.000 Menschen arbeitslos gemeldet, sagt er. Steige durch Amazon die Konkurrenz um die Mitarbeiter, könne das auch die Arbeitsbedingungen generell verbessern.
„Das Interesse, bei Amazon zu arbeiten, ist relativ groß, wie die Einstellungszahlen beweisen“, meint Andrea Kleinsim vom Jobcenter. „Das liegt sicher auch am Namen.“In den Gesprächen mit Jobsuchenden haben Jobcenter und Arbeitsagentur schon so manches Bewerbungsverfahren bei Amazon in Gang gesetzt. Sie loben die Zusammenarbeit. Das Unternehmen selbst sieht sich beim Werben um Mitarbeiter gut aufgestellt. Maryam Atallah verweist auf den vorzeigbaren Einstiegslohn, automatische Lohnerhöhungen oder Bonusse wie das Deutschland-Ticket. Auch die Vier-Tage-Woche, die nur alle vier Wochen zur Fünf-Tage-Woche wird, werde als attraktiv empfunden. Dabei sei die Nachtschicht von 18.40 Uhr bis 4.50 Uhr deutlich begehrter als die Tagschicht, die 8.30 Uhr beginnt.
Mittelfristig mehr als 2000 Stellen geplant Hinderungsgründe für eine Einstellung seien etwa nicht ausreichende Sprachkenntnisse oder eine fehlende Arbeitserlaubnis, die laut Ralf Mitschke von der Arbeitsagentur oft auch mit den bedauerlich langen Bearbeitungszeiten der Erfurter Ausländerbehörde zu tun hat. Rund ein Drittel der abgelehnten Bewerber sind laut Maryam Atallah aber Studenten.
Studentische Arbeitsplätze und flexiblere Zwischenschichten seien erst in einer späteren Phase nach dem Anlaufen des Logistikzentrums geplant. In der Vorweihnachtszeit soll die Personalstärke ohnehin deutlich ausgebaut werden. Mittelfristig geht Amazon von mehr als 2000 Jobs in Erfurt aus. Das Einstellungsbüro am Spielbergtor soll deshalb mindestens zwei Jahre in Betrieb sein.