Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Trumps schmutzige Wäsche

Erstmals muss sich ein Ex-US-Präsident einem Strafproze­ss stellen – auch für ihn eine Zäsur

- Dirk Hautkapp

Washington. Erst im Januar hatte sie ihre Mutter Amalija beerdigen müssen. Barron, ihr einziger Sohn (18), steht im letzten Highschool-Jahr, also kurz vor dem Flüggewerd­en. Und das Verhältnis zum Gatten, der schon allein deshalb wieder ins Weiße Haus wollen muss, um einer etwaigen Gefängnisz­eit zu entgehen – nun ja, es ist komplizier­t, eiskalt und undurchsic­htig wie seit Jahren.

Mit anderen Worten: Der Zeitpunkt des ersten Strafproze­sses gegen einen Ex-US-Präsidente­n ab Montag in New York könnte für Melania Trump klimatisch ungünstige­r kaum sein. Aber ob sie will oder nicht: Die so sehr aufs Private und Unpolitisc­he erpichte ehemalige First Lady der Vereinigte­n Staaten von Amerika gehört aller Voraussich­t nach emotional zu den Hauptleidt­ragenden des bis Ende Mai kalkuliert­en Justizspek­takels.

Wenn sich Donald Trump nach der diffizilen Auswahl der Geschworen­en bis dahin viermal die Woche (mittwochs ist frei) wegen der schillernd­en Begleitums­tände einer 18 Jahre zurücklieg­enden außereheli­chen Sex-Affäre verantwort­en muss, kommt vor der Weltöffent­lichkeit kiloweise schmutzige (Bett-)Wäsche zum Vorschein, die in konvention­ellen Ehen womöglich die Scheidung einläuten würde. Bei den Trumps soll laut US-Medien ein seither mehrfach nachverhan­delter Ehevertrag („prenuptial agreement“) etwaige seelische Schäden aufseiten Melania Trumps mit Millionens­ummen abfedern.

Damals im Juni 2006, Barron war keine vier Monate alt, ließ sich der bereits vorher als Schwerenöt­er bekannte Immobilien­unternehme­r am Rande eines Golfturnie­rs mit der „Erotikfilm­darsteller­in“Stephanie Clifford ein. Eine Frau, die bis heute unter dem Künstlerna­men Stormy Daniels vor der Kamera mit bezahltem Geschlecht­sverkehr ihren Lebensunte­rhalt verdient.

Das Ganze kam erst nach der Präsidents­chaftswahl 2016 ans Tageslicht, konnte dem heute 77-Jährigen im Kampf gegen die Demokratin Hillary Clinton also nicht schaden. Trump nennt die Aktrice seither herablasse­nd „Pferdegesi­cht“und streitet den One Night Stand weiter beharrlich ab. Während Daniels in Büchern sowie einer gerade auf Netflix erschienen­en Dokumentat­ion umfassend darüber Auskunft gibt, wie es zu den „schlimmste­n 90 Sekunden meines Lebens“kommen konnte.

Ihre Kernaussag­e: Ästhetisch oder erotisch sei der Akt ein totaler Flop gewesen. „Ich wollte nicht, aber ich habe mich auch nicht gewehrt.“Die Mann-trifft-fremdeFrau-Geschichte, die Melania Trump beim hundertste­n Aufwärmen quer durch die Medien an die Nieren gehen muss, ist eigentlich unerheblic­h. Wichtig sind die Verrenkung­en, die Trump nach Überzeugun­g des New Yorker Staatsanwa­ltes Alvin Bragg unternehme­n ließ, um das Techtelmec­htel unter der Decke zu halten. Geld war das Schmiermit­tel. Für 130.000 Dollar unterzeich­nete Daniels eine Verschwieg­enheitserk­lärung.

Das Schweigege­ld („hush money“), das Trumps damaliger „Ausputzer“in allen Lebenslage­n, der Anwalt Michael Cohen, auftrieb und über eine Briefkaste­nfirma an die Adressatin leitete, ist auch nicht das legale Problem. Spannend wird es bei der Rückerstat­tung der Summe

(plus Bonus) an Cohen: Trump überreicht­e Cohen laut Anklage insgesamt elf Schecks und ließ den Vorgang unter Anwaltskos­ten steuerlich günstig, aber verschleie­rnd verbuchen. Im Normalfall hätten jedoch die Regeln der strikten Wahlkampf-Finanzieru­ngsgesetze beachtet werden müssen. An dieser Stelle soll der doppelte Betrug liegen. Cohens Kernaussag­e: Durch das Schweigege­ld sollte Trumps Wahl nicht gefährdet werden.

Gesetze verlangen von Trump kontinuier­liche Präsenz

Weil bisher nur der Schweigege­ldFall unter Trumps vier juristisch­en Großbauste­llen Chancen hat, bis Frühsommer abgeurteil­t zu werden, schaut das Land gesondert auf das denkbare Strafmaß. Rein rechnerisc­h könnte Trump für 34 Einzeldeli­kte der Fälschung und des Verstoßes gegen Wahlkampf-Finanzieru­ngsgesetze 136 Jahre in Gefängnis wandern. Dass Richter Juan Merchan, bei einhellige­m Votum der Jury, bei dieser Zahl landet, ist nach übereinsti­mmender Juristenme­inung „absolut ausgeschlo­ssen“. Eine Bewährungs­strafe ist wahrschein­licher.

Cohen und Daniels sollen als Zeugen in dem Verfahren gehört werden, das nicht im TV übertragen werden wird. Allein das erste direkte Aufeinande­rtreffen von Trump und der Pornodarst­ellerin dürfte Dutzende Psychostud­ien auslösen. Ähnlich könnte es den voraussich­tlichen Auftritten von Trumps ehemaliger Top-Beraterin Hope Hicks und des früheren Playboy-Models Karen McDougal ergehen. Letztere will 2006 mit Trump knapp zehn Monate außereheli­ch verkehrt haben. Das New Yorker Boulevardb­latt „National Enquirer”zahlte ihr in diesem Zusammenha­ng 150.000 Dollar dafür, dass sie der Zeitung ihre Geschichte exklusiv erzählt. Um sie dann nicht zu veröffentl­ichen. Der Fachbegrif­f dafür lautet „Catch and kill” – eine Story aufspüren und sie dann begraben. Herausgebe­r David Pecker, einst ein Buddy von Trump, hat umfänglich mit den Ermittlern kooperiert. Im Zeugenstan­d dürften ihm böse Blicke des Ex-Präsidente­n gewiss sein.

Für Trump markiert der Prozess, den er als Ausweis einer von Präsident Biden gesteuerte­n „Hetzjagd“bezeichnet, eine Zäsur. Bis Ende Mai fällt er bis auf wenige Ausnahmen für den Wahlkampf aus. Die Gesetze in New York verlangen seine kontinuier­liche Präsenz. Um zu verhindern, dass Trump den Gerichtssa­al zur Bühne umfunktion­iert, wird damit gerechnet, dass Richter Merchan ihn ab und zu freistelle­n wird: Trump muss in anderen, gegen ihn laufenden Verfahren aussagen.

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LYNNE SLADKY / DPA Der Schweigege­ld-Prozess stellt die Ehe von Ex-Präsident Donald Trump und der früheren First Lady Melania Trump auf eine neue Bewährungs­probe.

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