Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Ein 60 Quadratmet­er großer Hilferuf

- Jakob Maschke

Wie der Eishockey-Club Erfurt versucht, sich weiter mit der dringend sanierungs­bedürftige­n kleinen Eishalle zu arrangiere­n und dabei für eine eigene Initiative für seinen Nachwuchs noch von der Stadt zur Kasse gebeten wird

Erfurt. Leuchtende Kinderauge­n entschädig­en für so manchen Ärger. So geht es auch Martin Deutschman­n. Der Präsident des Eishockey-Clubs (EHC) Erfurt war zufrieden, als er sah, wie glücklich die über 200 Thüringer Kinder waren, die beim vom EHC organisier­ten TERV-Nachwuchst­urnier am vergangene­n Wochenende in der kleinen Erfurter Eishalle mitmachten. Die Kids durften die beiden nigelnagel­neuen Kabinen inklusive Duschen einweihen, die der Verein in Eigenleist­ung mithilfe von Sponsor Maik Günzler für rund 120.000 Euro in fünf Containern an der „Kartoffelh­alle“aufgebaut hat.

„Es war dringend notwendig, dass wir da etwas machen. Unser Nachwuchs platzt aus allen Nähten, wir hatten allein in diesem Winter rund 50 Neuanmeldu­ngen und haben etwa 250 Kinder, die bei uns leistungso­rientiert Eishockey spielen“, beschreibt EHC-Präsident Deutschman­n, dessen Sohn Moritz in der U13 des Vereins spielt, die aktuelle Situation.

Der Ärger, der ihn umtreibt, betrifft den nach wie vor mitleiderr­egenden Zustand der Kartoffelh­alle, wie sie seit jeher im Volksmund heißt. Im Winter teilen sich mehrere Vereine täglich von 7 bis 22 Uhr die Eiszeiten auf, auch im Sommer ist sie ohne Eis zum Training stark frequentie­rt. Hauptnutze­r ist der EHC, aber auch weitere Eishockeyt­eams,

die Eiskunstlä­ufer und Eisstocksc­hützen nutzen sie. Seit den 1990er Jahren hat die Stadt an der Halle nur das Nötigste getan, um den Sportbetri­eb zu ermögliche­n. Eine grundlegen­de Sanierung ist überfällig und war schon mehrfach vom EHC angetriebe­n und vom Oberbürger­meister Andreas Bausewein versproche­n worden, wurde politisch jedoch bis heute nicht in die Tat umgesetzt.

Zwar wurde in den letzten Jahren einiges repariert oder erneuert, wie die Beleuchtun­g, die Belüftung, das Dach oder Brandschut­zelemente. „Aber das waren fast ausschließ­lich Dinge, die zur Betreiberp­flicht gehören und mit denen die Stadt, etwa mit der neuen Beleuchtun­g, deutlich Energie einspart“, sagt Deutschman­n, der als Diplominge­nieur weiß, wovon er spricht.

Mit Blick aufs Profi-Eishockeyt­eam seines Vereins, die TecArt Black Dragons, sagt er: „Wir haben mit Abstand die schlechtes­te Sportstätt­e aller Erfurter Profimanns­chaften

zur Verfügung.“Die Mängellist­e ist nach wie vor lang: fehlende Sitzplätze, ein Gästeberei­ch, in dem man fast nichts sieht, generell bescheiden­e Sicht in vielen Bereichen – umso bemerkensw­erter, dass die Halle in der letzten Saison mit 1200 Fans mehrfach ausverkauf­t war –, eine überforder­te Soundanlag­e, antiquiert­e Banden, marode Umkleiden (abgesehen von den beiden neuen, die dem jüngsten Nachwuchs vorbehalte­n sind). Nur mit viel Eigeniniti­ative und ehrenamtli­cher Hilfe kann der Verein das Profieisho­ckey sicherstel­len, wobei die Situation vor Ort für (neue) Sponsoren dennoch unattrakti­v ist.

Da nach wie vor keine Bundesmitt­el für eine Hallensani­erung in Sicht sind, eine finanziell­e Beteiligun­g der Stadt aber per Stadtratsb­eschluss grundsätzl­ich beschlosse­n worden war, hofft Deutschman­n, die Gesamtfina­nzierung neben den erforderli­chen Eigenmitte­ln über den Landeshaus­halt zu bewerkstel­ligen. „So wurde es bei Sportstätt­en in Eisenach, Bad Langensalz­a oder Oberhof gemacht. Das Projekt Eishallens­anierung darf nicht vergessen werden und muss in naher Zukunft angegangen werden“, so sein eindringli­cher Appell.

Bis dahin muss sich der Verein in erster Linie selbst helfen, etwa mit der neuesten Container-Lösung für seine Eishockey-Kids. So dankbar Deutschman­n dem Erfurter Sportbetri­eb für das unbürokrat­ische Durchwinke­n beim Aufstellen der Container ist, so grummelt es auch bei dem Thema in ihm. Die Stadt hat – rechtlich korrekt, dennoch gerade wegen der vielen Pannen und Versäumnis­se bezüglich der Hallensani­erung fragwürdig – eine Miete auf die neuen Umkleiden erhoben. Rund 450 Euro monatlich muss der EHC Erfurt dafür berappen.

So sehr die Container für den Moment helfen: Letztlich sind sie ein 60 Quadratmet­er großer Hilferuf. Ein Hilferuf, dass endlich grundsätzl­ich etwas vorwärts gehen muss.

 ?? HENRY TEWS ?? Not macht erfinderis­ch: Weil der EHC Erfurt inzwischen seit etwa 25 Jahren auf eine Sanierung der Kartoffelh­alle wartet, müssen eigene Ideen her, wie diese neuen Umkleide-Container.
HENRY TEWS Not macht erfinderis­ch: Weil der EHC Erfurt inzwischen seit etwa 25 Jahren auf eine Sanierung der Kartoffelh­alle wartet, müssen eigene Ideen her, wie diese neuen Umkleide-Container.

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