Im Kampf gegen das Klischee
Am Staatstheater Meiningen hatte eine neue „Madama Butterfly“von Puccini Premiere
Meiningen. Das Staatstheater Meiningen rückt Puccinis „Madama Butterfly“im vollen musikalischen Ornat auf die Pelle. Wäre der Tenor für die Rolle des nicht sehr sympathischen Pinkerton nicht erkrankt, dann wäre es eine reine Hausbesetzung gewesen! Einspringer Nenad Čiča sang aber nicht nur (sehr respektabel), sondern legte sich mit seiner barbieblonden Perücke im albern gestreiften Anzug auch szenisch nach Kräften ins Zeug.
Nach Japan kommt der bei Hendrik Müller (Regie), Marc Weeger (Bühne) und Katharina Heistinger (Kostüme) aber nicht als Marineoffizier übers Meer, sondern schwebt von ganz oben ein. Aus dem All, im Raumanzug. So landet er in der Welt von Cio-Cio San. Ihr Vater musste auf Befehl des Kaisers rituellen Selbstmord begehen, sie muss sich mit Dienerin Suzuki als Geisha durchschlagen und träumt ihren ganz eigenen, amerikanischen Traum. Dass die „Ehe auf Zeit“, bei der jungen Japanerinnen von einem Kuppler an Amerikaner vermittelt werden, nur eine Form ist, die es ihnen ermöglicht, bei einer Kurzbeziehung den Schein von Rest-Anstand zu wahren, will sie nicht sehen. Beim Aufmarsch ihrer Verwandtschaft unter Führung ihres Priester-Onkels Bonzo wird klar, dass hier eine überholte Gesellschaft selbst verzweifelt gegen ihren Untergang, sprich ihren Übergang in die Moderne kämpft. Das deutet die Bühne unübersehbar an. Ein
Haus mit fernöstlicher Anmutung, schon fast versunken, mit schräger Dachterrasse. Auf die (wie auf dem Mond) das Sternenbanner gepflanzt wird. Wirklich erhellend ist das aber nicht.
Ebenso wenig wie die Kostüme, die sich auf halbem Weg zwischen Folkloreparodie und Bloßstellung ihrer Träger bewegen. Vom klassischen Kimonolook mal abgesehen, würde man selbst gegen die bei Dekonstruktionen gerne genommene Secondhand Mode in dem Falle mal nichts haben.
Aufkeimendes Mitgefühl wird veralbert
Überhaupt verfestigt sich der Eindruck, dass die Regie mit der szenischen Brech(t)stange einen Abstand zum Inszenierungsklischee dieser 1904 uraufgeführten Oper schaffen will. Jedes aufkeimende Mitgefühl wird hier gleich im Ansatz so durch Übertreibung veralbert, dass alle für den Notfall mitgeführten Taschentücher unbenutzt bleiben können. Hier nimmt man sogar den mit großer Geste ausgeführten Selbstmord am Ende halt einfach nur zur Kenntnis. So wie den Puppenersatz für den gemeinsamen Sohn von Butterly und Pinkerton, den die Mutter freilich ohne sonderliche Skrupel als Waffe im Kampf um die Verwirklichung ihrer Lebensplanung einsetzt. So selbstbewusst und mit vokaler Durchschlagskraft und stimmlicher Verve wie Deniz Yetim ihre Cio-Cio Sun ins Turandotformat aufrüstet, ist sie weniger ein junges Opfer, als vielmehr ein pathologischer Fall von Realitätsverweigerung. Ein etwas schräger, aber durchaus bedenkenswerter Ansatz.
Zum Glück war mit Tamta Tarielashvili eine standfest eloquente Suzuki an ihrer Seite – so wie Johannes Mooser als Konsul (erfolglos) auf seinen Landsmann einwirkte.
Im Graben sorgten Chin-Chao Lin und die Hofkapelle für den Pucciniklang, der den Abend immerhin musikalisch zum Genuss machte.
Die nächsten Vorstellungen: am Freitag, 17. Mai, 19.30 Uhr; Sonntag, 26. Mai, 15 Uhr; Samstag, 8. Juni, 19.30 Uhr; jeweils Großes Haus Staatstheater Meiningen