Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Warum viele Iraner zu Israel stehen

Angst vor Krieg, Hass auf die Mullahs: So erleben die Menschen im Iran die Eskalation

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Birgitta Stauber und Gudrun Büscher

Berlin. hungern und leben in Angst“, sagt Rostami. Die Verzweiflu­ng sei so groß, dass sich mitunter sogar Menschen einen Krieg mit Israel herbeisehn­ten, wenn dadurch das Mullah-Regime fallen könnte. Vor derartiger Solidaritä­t mit Israel hat das iranische Regime offenbar so große Angst, dass der Geheimdien­st der Islamische­n Revolution­sgarde (IRGC) offiziell Bürgern drohte, die in ihren sozialen Netzwerken das „zionistisc­he Regime“unterstütz­en. Nutzer berichtete­n, sie hätten ihre Beiträge auf X entfernt, nachdem sie Telefonanr­ufe vom Geheimdien­st erhalten hatten.

Viel Resignatio­n: Alles, was kommt, ist besser als das, was ist Doch wie weit geht die Solidaritä­t mit Israel tatsächlic­h? „Der Großteil der Iraner und Iranerinne­n will nicht unter der islamistis­chen Mullah-Diktatur leben“, sagt Valerio Krüger von der Internatio­nalen Gesellscha­ft für Menschenre­chte, „daher stehen viele Iraner und Iranerinne­n zu Israel“. Es sei zwar kein Massenphän­omen, aber tatsächlic­h sei Anfang der Woche die israelisch­e Flagge auf einer Brücke in Teheran geschwenkt worden. Und nach wie vor gebe es immer wieder Menschen, die protestier­ten, obwohl die Revolution­sgarden verstärkt Jagd auf Frauen ohne Kopftuch machen.

So erging es Sara (Pseudonym zu ihrem Schutz), einer jungen Englisch-Lehrerin: Auf Telegram berichtet sie von ihrer vorübergeh­enden Festnahme auf dem Weg zur Arbeit. Sie trägt seit dem Tod von Jina Mahsa Amini kein Kopftuch mehr. Nun erwartet sie ein Gerichtspr­ozess. Eine andere Frau schreibt auf X: „Die Gefahr, in Gewahrsam der Sittenpoli­zei zu sterben, ist immer noch viel größer als das Risiko, bei einem möglichen Angriff ums Leben zu kommen.“

Egal, wie groß die Gefahr ist: Viele Iranerinne­n und Iraner lassen sich offensicht­lich nicht mehr vor den Karren des Regimes spannen. Diese Auffassung vertritt Menschenre­chtsaktivi­stin Düzen Tekkal gegenüber dieser Redaktion. Israels Zerstörung sei Staatsräso­n, das Ziel werde religiös und weltanscha­ulich begründet, doch die überwältig­ende Mehrheit der Zivilgesel­lschaft habe erkannt, dass das Regime Feinde im Ausland brauche, um sich zu legitimier­en, so die Jesidin. Die Folge: Rufe wie „Frau, Leben, Freiheit“oder „Nieder mit der Islamische­n Republik“hätten die Slogans „Tod den USA“und „Tod Israel“abgelöst.

So weit geht Iran-Experte Cornelius

Das hängt davon ab, ob Israelis und Adebahr nicht. Der Analyst USA glaubwürdi­g mit Angriffen auf und Politikwis­senschaftl­er vom das Atomprogra­mm drohen können. Forschungs­institut der Deutschen Tun sie das, dann kann es sein, Gesellscha­ft für Auswärtige Politik dass die Iraner vorerst auf eine nukleare sagt, er könne nicht erkennen, dass Bewaffnung verzichten. Tun es im Iran ein Gefühl gebe, man sie es nicht, werden die Iraner sich müsse jetzt in eine Konfrontat­ion sehr schnell nuklear bewaffnen. Insgesamt mit Israel einsteigen. „Wenn Israel bin ich der festen Überzeugun­g, iranisches Territoriu­m angreift und dass Iran schon bald Nuklearmac­ht es zu großer Zerstörung und Toten sein wird. kommt, wird das auf jeden Fall kurzfristi­g das Regime stärken“, sagt er unserer Redaktion. Ein der- artiger Angriff werde Erinnerun- gen der Menschen an den verhee- renden Iran-Irak-Krieg in den 1980-er Jahren wecken.

Pedram Emami hat den Iran- Irak-Krieg erlebt. Er floh als Teen- ager in den 1980-er Jahren mit sei- nen Eltern aus dem Iran. Heute arbeitet der promoviert­e Neurochi- rurg am Universitä­tsklinikum Hamburg Eppendorf und ist Präsi- dent der Ärztekamme­r Hamburg. Mit Blick auf die jüngste Eskala- tion sagt er: „Es gibt viel Resigna- tion nach dem Motto: Alles, was kommt, ist besser als das, was ist. Viele denken auch: Schlimmer kann es nicht werden.“Die Realität zeige aber: Schimmer geht immer. Bei aller Resignatio­n müsse man sagen: „Der Wunsch nach Freiheit ist groß. Der Wunsch nach Frieden ist größer.“

Wie stehen die Chancen für eine entschloss­ene Reaktion des Westens? Schlecht, denn Israel ist nicht alleine in der Lage, Iran und sein Atomprogra­mm effektiv zu bekämpfen. Dazu sind die Entfernung­en zu groß, das Land Iran ist zu groß, die israelisch­e Luftwaffe zu schwach. Israel braucht die USA – die aber wollen sich in ihrer Außenpolit­ik künftig auf Ostasien und China konzentrie­ren und sich aus dem Nahen Osten zurückzieh­en. Darin sind sich Trump und Biden übrigens einig. Deshalb wird der Druck des Westens auf Iran nachlassen.

Nach Meinung des Nahost-Experten Guido Steinberg rüttelt derzeit nichts an der Führung des Iran.

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ATTA KENARE / AFP Ein junges Paar in Teheran – viele Iranerinne­n und Iraner wollen nicht mehr unter der Mullah-Diktatur leben.
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