Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Eine neue Ära für Sarah Lesch

Punkige Töne und eine klare politische Aussage sind im neuen Album der Thüringeri­n zu hören. Konzert am 26. April in Erfurt

- Nathalie Lauterbach

Erfurt. „Ich bin links, queer und feministis­ch! Deal with it“, sagt Sarah Lesch und setzt damit den Ton für ihr neues Album „Gute Nachrichte­n“. Die in Altenburg geborene Liedermach­erin kommt mit Band am Freitag, 26. April, ins HsD in Erfurt. Vorab haben wir mit ihr gesprochen, um den Eintritt in ihre neue Ära näher zu beleuchten. Begleitet wurde sie dabei von Vogelgezwi­tscher – telefonier­t hat sie mit uns, während sie auf der Terrasse ihres Lieblingsc­afés saß.

In der Ankündigun­g für Ihre Tour und Ihr neues Album heißt es, dass Sie Ihr Liedermach­erinnen-Image umkrempeln und eine neue Ära mit „Gute Nachrichte­n“einläuten. Welche Veränderun­gen haben denn bei Ihnen stattgefun­den?

„Neue Ära“klingt so gewaltig. Aber es ist schon viel passiert. Vorher gab es immer nur mich und meine Gitarre auf der Bühne, aber was ich eigentlich mag, sind harte Klänge und ordentlich Schlagzeug aus Richtung Metal und Punk. Das habe ich zum ersten Mal auf einem meiner Alben umgesetzt. Eigentlich überlegte ich nur, welche Musik ich gerne machen würde, wenn mich nichts zurückhält. Ich bin auf eine gewisse Art und Weise erwachsene­r geworden in den letzten Jahren. Mutiger, klarer, auch unerschroc­kener. Ich fragte mich: Wenn ich nicht

Sarah Lesch wäre, welche Musik gäbe es dann von mir? Diese Musik ist in meinem neuen Album zu hören.

Was hat diese Veränderun­g ausgelöst?

Da gab es viele Gründe. Wachstum ist ein Auf-und-Ab und mit viel Schmerz und Angst verbunden. Ich habe immer den nächsten Schritt gemacht und auch eine gehörige Portion Mut dafür gebraucht, bis ich an dieser Stelle angekommen bin.

Sie sagten einmal, dass andere Leute Sie häufig als „Mutmacheri­n“bezeichnen. Wer macht Ihnen Mut? Natürlich meine selbst gewählte Familie. Die Leute, die mir sehr nah sind, die gemerkt haben, dass ich einfach nicht mehr richtig glücklich bin. Die mir Kraft gaben, auch wenn ich mal gezweifelt habe und dachte: Das war jetzt ganz falsch, ich muss wieder zurück. Meine eigenen Lieder geben mir ebenfalls viel Mut. Ich höre sie und erinnere mich: Ach ja, stimmt, ich habe das ja schon einmal gewusst. War schon einmal an dem Punkt in meinem Leben, an dem ich eine klarere Sicht hatte. Natürlich stärken mich auch viele Lieder von anderen Musikerinn­en und Musikern.

Zweifel kann in Ihrem neuen Album wenig hören. Darin geben Sie selbstsich­er Ihre Meinung preis. Es wird sehr politisch, gerade mit „Nie wieder“und „Der letzte Faschist“. Sie sind gebürtige Thüringeri­n – Wie finden Sie die politische Entwicklun­g im Bundesland?

Ich kann nicht von Zahlen, sondern nur von dem sprechen, was ich empfinde. Natürlich sehe ich eine Entwicklun­g, die mir Sorgen macht. Aber trotzdem begegne ich vielen Leuten, die Berührungs­punkte haben. Ich finde es ganz schlimm, wenn pauschal gesagt wird: „Im Osten da wohnen die Nazis.“Das stimmt nicht. Die gibt es überall. Wichtig sind die Begegnunge­n, das Menschlich­e. Du kannst auch Leuten begegnen, die sich für ganz links und „woke“halten und dann doch die größten Rassisten sind. Das finde ich schlimmer als Menschen, die etwas plump ihre Meinung sagen, aber doch berührbar im Herzen sind. Wir alle müssen versuchen, explizit antirassis­tisch zu handeln und tief menschlich miteinande­r umzugehen. Brücken zu bauen ist wichtig, wobei ich mit meiner Musik auch mal weniger Brücken baue und mehr mit der Faust auf den Tisch haue, um Streit anzuregen. Streit kann viel helfen. Wenn es Pflanzen nicht so gut geht, dann kann man sie am Stamm packen und einmal durchschüt­teln, damit sie besser wachsen und stärker werden. Das braucht auch unsere Gesellscha­ft: Ich würde sie gern am Stamm packen und ordentlich durchrütte­ln.

Bei all den ernsten Themen, die Sie ansprechen, mit Liedern wie „Spaltung der Gesellscha­ft“oder „Nie wieder“, wirkt „Holzofenpu­nker Pierre“dann doch sehr lustig im Gesamtbild. Was hat es mit diesem Lied auf sich? Wollten Sie das Album auflockern? Oder die Zuhörer überrasche­n?

Das ist ein Song, der wirklich nur aus meinem Herzen gesprudelt kam. (Sie lacht.) Ich habe diesen Pierre getroffen, von dem ich im Lied erzähle, und er war so cool. Ich habe ihn angesehen und gedacht, dass ich diesem Mann bis ans Ende der Welt folgen würde – und da ist der Song entstanden. Ohne große Hintergeda­nken. Am Anfang überlegte ich sogar noch, ein ganzes Album nur mit solchen „doofen“Songs zu machen. Dafür schrieb ich erstmal Titel auf wie „Mit 40 km/h in die Nazibar“. Aber weil ich den Entschluss fasste, bei „Gute Nachrichte­n“zu tun, worauf ich Bock habe, wurde „Holzofenpu­nker Pierre“einfach mit hineingewo­rfen.

Sarah Lesch am Freitag, 26. April, im HsD in Erfurt, Juri-Gagarin-Ring 140a; Beginn ist 20 Uhr; Tickets auf: www.ticketshop-thueringen.de

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SANDRA LUDEWIG Sängerin Sarah Lesch kommt nach Erfurt.

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