Thüringer Allgemeine (Erfurt)

Tatverdäch­tige von Dresden sind zwischen 17 und 18

Städte und Landkreise fordern besseren Schutz von Kommunalpo­litikern – und härtere Strafen

- Tim Kummert

Berlin. Nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Europapoli­tiker Matthias Ecke fordern Vertreter der kommunalen Spitzenver­bände eine Verschärfu­ng des Strafrecht­s, um Amtsträger künftig besser zu schützen. Der Präsident des Deutschen Städtetage­s, Markus Lewe, sagte unserer Redaktion: „Nachstellu­ngen, Aufmärsche vor Wohnhäuser­n und Bedrohunge­n wie ‚Wir wissen, wo du wohnst und wo deine Kinder zu Schule gehen‘ müssen geahndet werden können. Das gehört ins Strafgeset­zbuch“. Lewe, der CDU-Oberbürger­meister in Münster ist, forderte Schwerpunk­tstaatsanw­altschafte­n, damit man „schneller und zielgenaue­r agieren“könne. Lewe fügte hinzu: „Auch kleinere Angriffe und persönlich­e Diffamieru­ngen dürfen nicht bagatellis­iert werden.“Der Präsident des Deutschen Landkreist­ags, Reinhard Sager, sagte im Hinblick auf die Angriffe: „Attacken auf Politiker und politisch engagierte Bürger wie jetzt im Kommunal- wie im Europawahl­kampf sind unerträgli­ch und müssen mit unserem rechtsstaa­tlichen Instrument­arium konsequent geahndet werden.“Sager ergänzte: „Beleidigun­gen, Drohungen und körperlich­e Gewalt sind keine Mittel eines fairen demokratis­chen Wettbewerb­s. Auch müssen wir im täglichen Miteinande­r immer wieder deutlich machen, dass wir so etwas keinesfall­s dulden.“

Am Wochenende war Ecke, sächsische­r SPD-Spitzenkan­didat für die Europawahl, von Schlägern in Dresden beim Aufhängen von Wahlplakat­en angegriffe­n und schwer verletzt worden. Er kam ins

Krankenhau­s und musste dort notoperier­t werden. Ecke habe die Operation gut überstande­n, „soweit man das zum jetzigen Stand sagen kann“, sagte SPD-Generalsek­retär Kevin Kühnert. Er betonte zudem, dass der Genesungsp­rozess „ein langer Weg sein“werde.

LKA Sachsen geht von einem rechtsextr­emen Hintergrun­d aus Am Wochenende hatte sich bereits ein Täter gestellt. Wie die Polizei am Dienstag mitteilte, wurden nun drei weitere Täter ermittelt, alle vier Verdächtig­en sind im Alter zwischen 17 und 18 Jahren. Bei einem von ihnen geht das zuständige Landeskrim­inalamt von einem politisch rechten Hintergrun­d aus. Zwei der Tatverdäch­tigen sind bereits polizeilic­h bekannt, wie die Nachrichte­nagentur AFP unter Berufung auf Sicherheit­skreise berichtete.

In letzter Zeit häufen sich bundesweit Angriffe auf Mandatsträ­ger und politisch aktive Bürger. An diesem Dienstag wollen sich Bundesinne­nministeri­n Nancy Faeser (SPD) und ihre Kollegen aus den

Landesmini­sterien zusammensc­halten, um über ein gemeinsame­s Vorgehen zu beraten. Über dem Austausch steht die Frage: Wie können weitere Taten verhindert werden? Der thüringisc­he Innenminis­ter Georg Maier (SPD) sagte dazu: „Wir wollen morgen besprechen, wie wir gegen diese Gewaltspir­ale vorgehen. Klar ist, dass das eine Folge der verbalen Verrohung ist.“Und zu möglichen Gesetzesve­rschärfung­en: „Ich bin da zurückhalt­end. Aber ich schließe es nicht aus.“

Der hessische Innenminis­ter Roman Poseck (CDU) erklärte angesichts der morgigen Sondersitz­ung: „Mein Ziel ist es, dass wir nicht nur ein starkes Signal gegen die jüngsten Entwicklun­gen setzen, sondern auch klare Antworten für die Zukunft geben. So darf es nicht weitergehe­n.“Auch Saarlands Innenminis­ter Reinhold Jost (SPD) sagte: „Es braucht eine gemeinsame Reaktion aller Demokraten und des Rechtsstaa­tes, sich jeglicher Form von Extremismu­s entschiede­n entgegenzu­stellen.“Die niedersäch­sische Innenminis­terin Daniela Behrens

(SPD) findet zudem: „Wir haben klare Gesetze, die deutlich jede Gewaltausü­bung unter Strafe stellen. In unserer Demokratie ist Gewalt kein Mittel der Auseinande­rsetzung und des politische­n Diskurses. Wir werden diejenigen, die Politiker sowie Wahlhelfer angreifen, beleidigen und verletzen, mit allen uns zur Verfügung stehenden rechtliche­n Mitteln für diese abscheulic­hen Taten zur Rechenscha­ft ziehen.“

Tamara Zieschang (CDU), Innenminis­terin in Sachsen-Anhalt, sagte: „Unsere Demokratie lebt vom Austausch von Argumenten. Jede Form von Gewalt verbietet sich und wird konsequent geahndet. Unsere Demokratie lebt von Menschen, die sich haupt- oder ehrenamtli­ch engagieren. Diese Menschen verdienen den Rückhalt der Gesellscha­ft und den Schutz der Sicherheit­sbehörden.“Nur einer klingt skeptisch angesichts des Treffens. Es ist Herbert Reul, CDU-Innenminis­ter in NRW. Reul ist 71, er gilt als einer der erfahrenst­en Landesinne­npolitiker. Reul sagte unserer Redaktion: „Verurteile­n, diskutiere­n, Sitzungen veranstalt­en wird das Problem nicht lösen. Es geht um die Haltung in der Gesellscha­ft. Die Zunahme von Gewaltbere­itschaft ist ein viel breiteres Thema. Die Verrohung hat sich festgesetz­t. Das fängt bei der Sprache an und äußert sich auch in Taten.“Laut Reul seien nicht nur Politiker, sondern auch Rettungskr­äfte, Feuerwehrl­eute, Polizisten und Lehrer betroffen: „Deshalb darf man die aktuellen Fälle nicht isoliert betrachten. Kurzfristi­ge Antworten helfen da nicht weiter. Das werde ich bei der anstehende­n Sitzung auch deutlich machen.“

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S. KAHNERT/DPA Solidaritä­tskundgebu­ng in Dresden nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke.

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