Kriegsgedenken in Verdun auf den Spuren einer historischen Geste
Bundeskanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Hollande treffen sich am Sonntag auf dem blutigsten Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs
Verdun. Vor 100 Jahren wurde die französische Kleinstadt Verdun zum Synonym für die Sinnlosigkeit des Ersten Weltkriegs steht. Am Sonntag erinnern Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande an das 300tägige Gemetzel.
Beide wandeln dabei im geschichtsträchtigen Schatten ihrer Vorgänger: Kanzler Helmut Kohl und Präsident François Mitterrand setzten 1984 mit ihrem historischen Handschlag über den Gräbern von Verdun ein weltweit beachtetes Zeichen deutsch-französischer Aussöhnung.
Für den Historiker Gerd Krumeich ist die Schlacht vom 21. Februar bis 19. Dezember 1916 „eine einmalige Verbindung zwischen einem archaischen Gemetzel, Draufhauen, Abstechen, mit dem Gegner praktisch immer in Sichtweite, oft nur 30 Meter entfernt und einem infernalischem Fernbeschuss aller Kaliber aus zehn, zwölf Kilometern Entfernung“.
Mehr als 300000 Soldaten beider Seiten starben direkt auf den Schlachtfeldern, 400000 wurden verwundet. Und warum? „Für einen operativen und strategischen Dreck“, sagt Krumeich, „sie haben sich ineinander verkeilt, weil keiner nachgeben wollte“.
Der deutsche Historiker wird Hollande und Merkel durch Teile der für 12,5 Millionen Euro komplett neu gestalteten Gedenkstätte führen. Mit einem Schwerpunkt auch auf Erlebnissen deutscher Soldaten soll das Memorial von Verdun künftig ein deutsch-französischer Erinnerungsort sein.
Keine zwei Kilometer weiter ist ein für fast 100 Jahre und noch bis vor kurzem von französischer Seite undenkbarer Schritt geplant. Hollande und Merkel werden im Ossuaire, im Beinhaus von Douaumont, an einer neuen deutsch-französischen Inschrift Halt machen, die daran erinnert, dass dort im Keller die Knochenreste von rund 130 000 französischen und deutschen Soldaten liegen. Bisher war das Gedenken an diesem Ort den Franzosen vorbehalten.
In dem langgezogenen Sandsteinbau sind auf Wunsch von Angehörigen Namen getöteter Soldaten festgehalten. Erst Anfang 2014 – ein Jahrhundert nach Kriegsbeginn – durfte mit Peter Freundl ein deutscher Name in der Decke als Inschrift zu finden sein.
Vor dem Beinhaus standen Kohl und Mitterrand 1984 minutenlang Hand in Hand. „Ein einzigartiger Moment, der bleibt“, heißt es noch heute im Pariser Élysée.
Bei der aktuellen Zeremonie am Sonntag soll ein Frankreich sehr verbundener Deutscher die Fäden ziehen: der Regisseur Volker Schlöndorff inszeniert die Begegnung von Hollande und Merkel mit rund 3400 Jugendlichen aus beiden Ländern. Er hatte zunächst „überhaupt keine Lust, so was zu machen“, sagt Schlöndorff zum Angebot aus dem Élysée, „auf der andern Seite war auch vollkommen klar: Ich kann da nicht „Nein“sagen.“
Schlöndorff will „einen Dialog mit den Jugendlichen ohne Pomp, ohne Zeremonie“. Ihm gehe es um die menschliche Dimension. „Jeder Einzelne, der da gefallen ist, war ja ein Mensch und jeder, der dahin kommt, ist auch ein Einzelmensch.“Hollande und Merkel werden die Jugendlichen zwischen den Kreuzen auf dem riesigen Grabfeld vor dem Beinhaus von Douaumont bei Verdun treffen. dpa
Premiere im Beinhaus von Douaumont