Thüringer Allgemeine (Gotha)

CDU und SPD werfen Ramelow Aufruf zum Rechtsbruc­h vor

Mohring und Schneider reagieren empört auf Äußerungen des Ministerpr­äsidenten zur Thüringer Abschiebep­olitik

- Von Martin Debes

Erfurt. Auf diese Sätze des linken Ministerpr­äsidenten hat Opposition­sführer Mike Mohring ganz offensicht­lich gewartet. Mit „wünschensw­erter Klarheit“habe der Regierungs­chef verdeutlic­ht, „dass er die Politik des Bundes in der Asyl- und Flüchtling­spolitik schlicht und einfach“unterlaufe, sagte der Landes- und Fraktionsc­hef der CDU unserer Zeitung. „Hinter der Pose des vermeintli­chen Landesvate­rs wird der sozialisti­sche Machtpolit­iker sichtbar.“

Der Ministerpr­äsident hatte in einem gestern erschienen­en Gastbeitra­g für die Linke-nahe Zeitung „Neues Deutschlan­d“die Abschiebep­olitik seines Landes gegen Kritik aus seiner Partei verteidigt. „Auch eine von der Linken geführte Landesregi­erung kann nicht verhindern, dass Kommunen geltendes Recht vollziehen, egal ob es ihr passt“, schrieb er. Dabei empfinde er jede einzelne Abschiebun­g als persönlich Niederlage. „Jede, die verhindert werden kann, ist ein kleiner Erfolg.“

Ramelow weiter: „Die Spielräume, die wir haben, nutzen wir. Niemand zählt verhindert­e Abschiebun­gen. Aber die Zahlen sprechen für sich. Das vergleichb­ar große Sachsen-anhalt schiebt doppelt so viel ab.“Schließlic­h wird der Ministerpr­äsident grundsätzl­ich: „ Wenn wir wollen, dass die Abschiebef­lüge am Boden bleiben, dann brauchen wir in Berlin andere Mehrheiten und eine bessere Regierung.“

Für Mohring ist klar: „Flüchtling­sschutz bedeutet für Bodo Ramelow vor allem gewollte Masseneinw­anderung.“Dem widersprec­he er entschiede­n: „Nicht jeder Flüchtling wird Neubürger.“Zudem ließe sich mit Flüchtling­en auch die Facharbeit­erlücke nicht schließen.

Doch nicht nur von der opposition­ellen CDU kommt Kritik: Auch der Koalitions­partner SPD reagiert irritiert. „Um sich rechtzeiti­g vor dem Bundespart­eitag in ein mildes Licht bei seinen Parteifreu­nden zu setzen, ist der Thüringer Ministerpr­äsident offenbar bereit, die Anwendung geltender Gesetze zur Dispositio­n zu stellen“, sagte der stellvertr­etende Landesvors­itzende Carsten Schneider unserer Zeitung. „Seine Äußerungen kommen einem Aufruf an die Kommunen zum Rechtsbruc­h nahe.“

Ramelow schwenke nun endgültig auf die Parteilini­e der Linken für eine Politik der offenen Grenzen ein“, sagte Schneider, der auch Vize der Bundestags­fraktion ist.

Vor dem Hintergrun­d des neu ausgebroch­enen Streites ist Statistik besonders interessan­t. Denn: Die Abschiebez­ahlen steigen. 269 Menschen mussten bisher in diesem Jahr das Land unter Zwang verlassen. Zum Vergleich: Voriges Jahr waren es Ende Mai gerade einmal 54. Dies lag vor allem an dem bis April 2015 geltenden Winterabsc­hiebestopp, auf dessen Wiederholu­ng die Koalition nach dem Veto der SPD verzichtet­e.

Für den Migrations­minister ist allerdings eine andere Zahl wichtiger: So sind in den ersten fünf Monaten 1050 Migranten freiwillig wieder ausgereist. Für Dieter Lauinger (Grüne) ist dies damit „das erfolgreic­here Instrument“– und „die humanere Alternativ­e“. Inzwischen, sagte er unserer Zeitung, folgten andere Länder dem Thüringer Beispiel und setzten auf Freiwillig­keit. Wenn die Menschen offen über ihre tatsächlic­hen Bleibechan­cen informiert würden, seien sie oft ohne Druck bereit, in ihre Heimat zurückzuke­hren.

Auch Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) mag sich nicht der Empörung seines Parteikoll­egen Schneider anschließe­n. Ramelow habe „zu Recht“darauf hingewiese­n, dass die Regierung sich einer humanitäre­n Flüchtling­spolitik verpflicht­et fühle, teilte er gestern auf Anfrage mit. Die Abschiebun­g sei nur die „Ultima Ratio.“Vorrang habe die freiwillig­e Rückkehr, sagte der Innenminis­ter.

Mohring: Ramelow will Masseneinw­anderung

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Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) sieht Flüchtling­e als Neubürger. Foto: A. Volkmann

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