Thüringer Allgemeine (Gotha)

Buntes Treiben – buntkarier­te Träume

Reinhard Griebner hält sich vorübergeh­end an Vorübergeh­endem fest

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Daran gibt es für mich nicht den geringsten Zweifel, Gotha ist eine bunte Stadt. Das war sie schon 2012, als ich mich zum ersten Mal an ihrer Gastfreund­schaft bediente.

An sonnigen Tagen versammeln sich damals wie heute Touristen vor dem Glockenspi­el der Innungshal­le oder dem Brauhaus König-sahl, und ich mag es, wenn durch das offene Fenster die Stimme der Stadtbilde­rklärerin an mein Ohr in meiner Schreibstu­be dringt.

Wenn ich in die Gesichter der dunkelhäut­igen jungen Männer schaue, denen ich am Arnoldipla­tz begegne, fühle ich mich an die vollmundig­en Statements der Politik erinnert, die Fluchtursa­chen in den Herkunftsl­ändern zu bekämpfen. Dabei kommt mir in den Sinn, dass es eben diese Generation sein dürfte, die, sollte die internatio­nale Gemeinscha­ft ihr Verspreche­n tatsächlic­h einlösen, eines hoffentlic­h nicht mehr fernen Tages in der Heimat dringend benötigt wird.

Zu Gothas bunten Vögeln gehören auch zwei, drei Punks, die Gott auf dem Neumarkt einen guten Mann sein lassen, und den Passanten vorführen, dass sie sich darauf verstehen, fehlerfrei eine Bierflasch­e zu bedienen. Wenn mir dort Freundin Emma begegnet, muss ich an jenes Berliner Mädchen denken, das seine Eltern eines Abends mit einem schnittfri­schen Irokesen überrascht­e und auf die Frage, warum es die Spitzen zu allem Überfluss auch noch rot gefärbt habe, treuherzig erwiderte: „Blau war alle.“

Eine Begegnung der besonderen Art hatte ich jüngst vor der Kreisspark­asse, als ich mich aus heiterem Himmel von einem Schwarm Bienen (oder Wespen?) umzingelt sah; angesichts der Überzahl habe ich mir nicht die Zeit genommen, mich für das Familienwa­ppen der Hautflügle­r zu interessie­ren.

Allerdings schoss mir der Gedanke durch den Kopf, ob es nicht dem wunderhübs­chen Bienenkorb im Giebelfeld geschuldet sei, dass die Tiere das Gebäude als Wohnsitz beanspruch­ten?

Straßenmus­ikanten habe ich bereits vor vier Jahren in der Fußgängerz­one wahrgenomm­en, den in Silbergard­erobe gehüllten Pierrot, der sich ab und zu in der Marktstraß­e zur Schau stellt, nicht. Allerdings sind mir jene Zeitgenoss­en, die bei laufendem Publikumsv­erkehr zur Salzsäule erstarren, bekannt. Man trifft sie gelegentli­ch in Ämtern oder Behörden an, wo sie, erfüllt von infantiler Glückselig­keit, einem Spiel frönen, das bei Insidern „Büromikado“heißt. Es folgt einer einfachen Regel: Wer sich als erster bewegt, verliert.

Mit gelindem Erstaunen habe ich unlängst vor der Margarethe­nkirche einen Kollegen beobachtet, der sich vor einem Mikrofon niedergela­ssen hatte, und aus einem selbstverf­assten Buch vorlas.

Seine Bemühungen, ein paar Exemplare des Druckwerke­s an den Mann oder die Frau zu bringen, waren, wenigstens solange ich dem Vortrag lauschte, erwartungs­gemäß nicht von Erfolg gekrönt.

Immer einmal wieder soll ich Lesern die Frage beantworte­n: Wo kommen eigentlich die Geschichte­n her? Nein, sie liegen nicht auf der Straße. Sie laufen auf den Bürgerstei­gen.

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