Eleganz, Dynamik und 300 Prozent Risiko
Mit 24 sieht sich Speerwerfer Thomas Röhler noch lange nicht im sportlichen Zenit. Dennoch gilt der Thüringer in Rio als Medaillenkandidat
Jena. „Ich kam zum Speerwerfen wie die Jungfrau zum Kind“, beschreibt Thomas Röhler, Deutscher Meister der Jahre 2012 bis 2015, seinen sportlichen Werdegang. Kaum vorstellbar, gilt der 24-jährige Weltklasse-werfer des LC Jena – neben Bahnradass Kristina Vogel – bei den Olympischen Sommerspielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August 2016) als hoffnungsvollster Vertreter des Freistaats und Anwärter auf Edelmetall.
Doch von vorn: Über eine Sport-ag findet Thomas Röhler zu Grundschulzeiten den Weg zu seinem heutigen Heimatverein LC Jena, der 2011 aus dem Mehrspartenverein TUS Jena hervorging. Nach der allgemeinen leichtathletischen Ausbildung folgt für den heimatverbundenen Jenenser zunächst die Spezialisierung auf den Sprung. „So richtig wohl habe ich mich als Springer allerdings nicht gefühlt. Und wenn im Fernsehen Leichtathletik übertragen wurden, habe ich mir schon damals lieber den Speerwurf als den Dreisprung angesehen.“
Eine Tendenz, die sich bereits früh ankündigt: „Als Kind war jeder Urlaub, in dem es Wasser und Steine gab, für mich gerettet. Wenn ich Steine über den See werfen konnte, war ich glücklich.“An eine Karriere als Werfer dachte er da noch nicht.
Erst Ende 2009 setzt sich Röhler mit dem Wechsel in das Lager der Wurf-spezialisten ernsthaft auseinander. Und das aus gutem Grund. „Durch den Abbau von Sprungtrainern in Thüringen wurde auch unsere damalige Trainingsgruppe aufgelöst. Ich wollte aber unbedingt am Sportgymnasium Jena bleiben.“Für den 17-Jährigen folgt nun das wichtigste Jahr seiner jungen Karriere – der Übergang zum Wurf. Fortan steht er meist Kraftraum. „Meine Technik war anfangs miserabel, dennoch hat es in Thüringen zum Landesmeistertitel gereicht.“
Schnell beweist Röhler, dass mit ihm am 800 Gramm schweren Wurfgerät auch international zu rechnen ist. Seine 2010 erzielte Bestweite von 76,37 Metern (U20-WM in Ulm) steigert er Jahr für Jahr kontinuierlich. Mittlerweile kratzt der 24-Jährige mit 89,27 m (Kuortane/2015) – dem drittweitesten Wurf in der ewigen deutschen Bestenliste – sogar an der magischen 90-Meter-marke. Am Ziel sieht sich der Wm-vierte des Vorjahrs jedoch noch lange nicht. „Wir sprechen hier nicht über das Turnen, wo man mit 15, 16 schon Olympiasieger werden kann, sondern über eine technische Disziplin, in welcher der Leistungshöhepunkt erst mit 26, 27 Jahren erreicht wird“, sagt der 1,91 m große und 90 kg schwere Athlet.
Doch was macht den Speerwurf für den jungen Weitenjäger aus? „Das Spiel mit der Schwerkraft fasziniert mich einfach. Speerwurf ist für mich eine Mischung aus Eleganz, Dynamik und 300 Prozent Risiko“
Eine Mischung, auf die es auch bei Olympia ankommen wird. „Ich setzte mir generell realistische Ziele und ein Platz unter den besten Fünf ist realistisch. Doch die internationale Konkurrenz ist enorm stark und es gibt aktuell mehr als fünf Athleten, die das Potenzial haben, stabil über 86 Meter zu werfen“, so Röhler der am Samstag beim Diamond Meeting in Eugene antritt und am 4. Juni sein eigenes Meeting in Jena vcranstaltet.
Landestrainer Harro Schwuchow, der Röhler seit drei Jahren am Stützpunkt Jena betreut, traut seinem Schützling in Brasilien indes den ganz großen Wurf zu. „Thomas hat sein Leistungsniveau noch lange nicht ausgeschöpft. Wir versuchen im Training immer wieder neue Akzente zu setzen. Dabei liegt der Fokus allerdings nicht primär auf dem Speer“, so Schwuchow. Und gemäß dem gemeinsamen Motto „vorwärts immer, rückwärts nimmer“bietet sich im 9799,49 km entfernten Rio des Janeiro doch eine schöne Möglichkeit, die magische 90-Metermarke zu knacken.