Thüringer Allgemeine (Gotha)

Im Nationalen Geopark Inselsberg-drei Gleichen erzählen die Landschaft­en Geschichte

- Von Hanno Müller (Text) und Alexander Volkmann (Fotos)

Klein-klein geht gar nicht. Im Thüringer Geopark muss man groß, weit und vor allem langfristi­g denken. Unter ein paar Millionen Jahren macht es die Erdgeschic­hte nicht.

Stephan Brauner, verantwort­licher Geologe im Nationalen Geopark Thüringen Inselsberg – Drei Gleichen, hat damit kein Problem. Wer sich mit ihm auf den Weg macht, reist durch mehr als 300 Millionen Jahre, stößt auf erloschene Vulkane (Inselberg) und von Korallenri­ffen umgebene tropische Inseln (Ruhlaer Insel), trifft Saurier und Stachelhai­e oder schaut der Landschaft quasi im Zeitraffer zu, wie sie sich krachend aus urzeitlich­en Gewässern erhebt oder wieder darin verschwind­et.

Unsere Tour beginnt am Fuße der Wachsenbur­g, im Zentrum des Urkontinen­ts Pangäa. Geschichte­nerzähler Brauner ist hier in seinem Element. Pangäa, „die allumfasse­nde Erde“, entstand vor über 340 Millionen Jahren, als sich die Kontinente im Norden und Süden zu einem großen Superkonti­nent verbanden. Der Geopark lag damals mittendrin.

Rötlich-weiß erstreckt sich eine Miniwüste vom Parkplatz den Hang entlang. Der Boden aus Mergel und Tonstein zerbröselt weich zwischen den Fingern, ist aber von festen Sandstein-bändern durchzogen. Badlands – schlechtes Land – heißen solche Ecken. Zu Unrecht, findet Brauner und deutet auf Pflanzen, die trotz kargem Mergel-boden mit Farben protzen.

Die Landschaft, wie wir sie heute sehen, ist laut Brauner die Folge dramatisch­er Ereignisse im Erdinneren, als sich vor 80 Millionen Jahren Afrika erneut an Europa drückte. Geformt wurden die Burgberge dabei durch Erdstörung­en, bei denen Schichten aus Keuper, Muschelkal­k, Buntsand- und Zechstein gegeneinan­der geschoben und aufgebroch­en wurden. Was man sieht, sind quasi die Bruchfalte­n.

Stand man eben noch auf Pangäa, ist man wenige Kilometer weiter am Weidbach in Mühlberg erdgeschic­htlich schon im Gestern angekommen. Das Wasser kommt vom Mühlberg Spring, einer Karsthöhle­nquelle im Muschelkal­k, deren Alter auf etwa 7000 Jahre geschätzt wird.

Mineralien, die das Wasser in großen Mengen ausspült, lagern sich als Travertins­tufen entlang des Bachlaufes ab. In Mühlberg kann man also – sozusagen – der Erdbildung zusehen.

Das ist es auch, was jährlich Zehntausen­de in die Marienglas­höhle bei Friedrichr­oda zieht. Zum einen haben Stephan Brauner & Co. hier ein Infozentru­m eröffnet. In den Vitrinen tummeln sich Haie und Saurier.

Zum anderen öffnet die Geologie am Nordrand des Thüringer Waldes ein Fenster ins Erdinnere. Weil die Schichten des Zechstein (255 Mio. Jahre) und Buntsandst­ein (240 Mio. Jahre) durch die Heraushebu­ng des Mittelgebi­rges schräg gestellt wurden, durchschre­ite man im Zugangssto­llen zur Höhle quasi eine Art geologisch­en Zeitstrahl, schwärmt Brauner. Nicht zu vergessen die Kristallgr­otte – so schön kann Geologie sein.

Schließlic­h darf ein Abstecher zum Saurierpfa­d in Georgentha­l nicht fehlen. Seine Entstehung verdankt er dem Bromacker, einer der weltweit bedeutends­ten Fundstelle­n der Urviecher.

Thüringen war Saurierlan­d, nirgendwo wird das so deutlich wie hier. Gefunden wurden sie in allen Größen und Variatione­n, vom kleineren, 290 Millionen Jahre alten Ursaurier bis hin zum großen, in den 210 Millionen Jahre alten Schichten des Keupers gefunden Lindwurm.

Viele Saurier tragen heute Thüringer Namen, weiß Brauner. Der Georgentha­lia clavinasic­a ist ein solches kleines Amphib, ebenso der etwas größere Tambachia trogallas. Der Artname trogallas wurde aus den griechisch­en Worten für trogo (Mampfen) und allas (Wurst) abgeleitet – eine Huldigung an die Thüringer Bratwurst.

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Der Wachsenbur­g-blick an der Straße zwischen Mühlberg und Holzhausen. An den südlichen Berg selnde geologisch­e Schichten und subkontine­ntale Klimaverhä­ltnisse bilden die Grundlage für ein

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