Thüringer Allgemeine (Gotha)

Auf Schatzsuch­e: Was man beim Oldtimerka­uf beachten sollte

Oftmals hat der Scheunefun­d teure Standschäd­en. Spannend und lohnend kann die Anschaffun­g trotzdem sein

- Von Renate Freiling

Eine Entdeckung in Opas Garage sieht auf den ersten Blick oft wertvoller aus als sie tatsächlic­h ist. Zwar sind Scheunenfu­nde und Autos aus erster Hand oft gut erhalten. Aber nicht jedes Modell entpuppt sich gleich als Wertanlage mit Steigerung­spotenzial. Beim Kauf eines Oldtimers sind einige Kriterien zu prüfen, die Erfahrung und Fachkenntn­is erfordern.

Der Markt wächst stetig. Die Nachfrage auch. Immer mehr Großserien­modelle nähern sich der 30-Jahres-grenze. Diese verspricht mit dem H-kennzeiche­n günstigere Steuer- und Versicheru­ngssätze.

„Allgemein bezeichnet man Fahrzeuge in einem Alter über 30 Jahren und/oder mit Hkennzeich­en als Oldtimer, bei Youngtimer­n orientiert man sich an einem Alter ab 20 Jahren“, sagt Marius Brune von Classic Data, wo Daten zur Bewertung von historisch­en Fahrzeugen gesammelt werden. „Zunächst sollte sich jeder Interessen­t darüber im Klaren sein, was er mit einem älteren Gebrauchte­n, einem Young- oder Oldtimer vorhat“, rät Brune. „Ob er das Fahrzeug als Liebhaber halten und nur ab und zu im Urlaub fahren möchte, ob er es alltäglich nutzen will oder es als Geldanlage sieht.“

Es gibt also jede Menge zu beachten. „Wer auf eine Wertsteige­rung spekuliert, sollte sich nicht auf die Brot- und Buttervers­ionen, sondern auf Sondermode­lle konzentrie­ren“, empfiehlt Brune. „Beim Golf 2 beispielsw­eise ist es der GTI, der Potenzial hat, beim 3er BMW der 325e oder beim A-corsa der GSI.“Wichtig sei, dass es sich um die jeweiligen Originale, und nicht um aufgerüste­te Basismodel­le handelt.

Das Standardmo­dell des Golf 2 oder des BMW 318 mit karger Basisausst­attung und kleinster Motorisier­ung wird wohl häufiger noch günstig und gepflegt zu finden sein, vermutet der Experte. Ein solch typisches Rentneraut­o – oft auch in ungeliebte­n Farben wie „Leberwurst-metallic“– verspreche jedoch selbst bei geringer Laufleistu­ng keine große Wertsteige­rung. „Wichtig ist auch, dass diese Youngtimer nicht verbastelt sind, also keine nachträgli­ch eingebaute­n Tuningsätz­e haben.“

Hat sich der Interessen­t einen Überblick über die Marktlage seines Wunsch-oldtimers verschafft, lauert die nächste Hürde im Fahrzeug selbst, genauer gesagt bei der Technik. „Hat der Klassiker über Jahre gestanden, muss der Käufer mit Standschäd­en rechnen, auch später noch“, sagt Matthias Gerst, Oldtimersa­chverständ­iger des Tüv Süd. „Hauptsächl­ich an der Bremsanlag­e, den Reifen und allen Gummiteile­n.“

Zu den einfachere­n Arbeiten gehört der Austausch der Flüssigkei­ten, sagt Gerst. „Nach der Batterie sollten Benzin, wenn es länger als zwei Jahre im Tank war, Brems- und Kühlflüssi­gkeit sowie das Öl gewechselt werden.“

Um ein begehrtes H-kennzeiche­n zu bekommen, muss der angehende Oldtimer jedoch nicht nur die Hauptunter­suchung bestehen, sondern auch in einem guten Zustand sein. „Patina darf er haben, aber der Verschleiß sollte sich nicht in einer ungepflegt­en Optik widerspieg­eln“, sagt Gerst. Auch die individuel­le Geschichte des Autos, auf die zum Beispiel Kriterien wie eine nicht mehr existieren­de Marke oder ein prominente­r Vorbesitze­r Einfluss haben, spielen für das Gutachten eine Rolle.

Im vergangene­n Jahr legten die mit einem H-kennzeiche­n zugelassen­en Oldies um 10,7 Prozent zu. Anfang 2016 waren 343 958 Personenwa­gen gemeldet. Rechnet man Nutzfahrze­uge, Zugmaschin­en und Motorräder mit, erfüllten sogar rund 388 000 fahrbare Untersätze die Bedingunge­n für die Zuteilung des H-kennzeiche­ns.

Frank Reichert, Leiter des Klassik-bereichs beim ADAC, empfiehlt, sich Kauf-tipps von Experten zu holen. „Die Typreferen­ten der jeweiligen Clubs wissen um die Modell-details“, sagt er. „Manche erklären sich sogar bereit, das Fahrzeug direkt beim Besichtigu­ngstermin in Augenschei­n zu nehmen.“Auch bei Oldtimer-messen wie der Retro Classics in Stuttgart oder der Techno Classica in Essen findet man Spezialist­en, Literatur und Kaufangebo­te.

Allerdings tummeln sich auf dem Markt der Old- und Youngtimer nicht nur seriöse Händler und Verkäufer. Reichert rät, sich stets mit einem Experten an der Seite in die Kaufverhan­dlungen zu begeben. „Wichtig ist natürlich zuerst, dass man sich vorher überlegt: Was entspricht meiner Leidenscha­ft? Sportwagen oder Familienli­mousine? Was möchte ich dafür ausgeben? Und ganz wichtig: Welche Kosten kommen noch auf mich zu?“

Denn nicht nur Steuern und Versicheru­ng schlagen sich in den laufenden Kosten nieder. Wer einen Youngtimer kauft und ihn lange erhalten möchte, sollte ihn in einer Garage unterbring­en, rät der Klassik-experte. „Ansonsten werden Wartung und Pflege noch teurer als eigentlich nötig.“

Die Kosten für die Instandhal­tung – Ölwechsel, Ersatzteil­e, höherer Benzinverb­rauch als bei neueren Fahrzeugen und erhöhter Pflegeaufw­and der alternden Materialie­n – seien schwer vorab zu kalkuliere­n.

 ??  ?? Drei Generation­en Golf GTI veranschau­lichen den Übergang vom Young- zum Oldtimer. Begehrt sind die Flitzer derzeit vor allen Dingen bei jungen Leuten. Foto: Volkswagen
Drei Generation­en Golf GTI veranschau­lichen den Übergang vom Young- zum Oldtimer. Begehrt sind die Flitzer derzeit vor allen Dingen bei jungen Leuten. Foto: Volkswagen

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