Thüringer Allgemeine (Gotha)

Ein Zwischenst­opp in den bunten Häusern von Reykjavík Die isländisch­e Hauptstadt ist eine Reise wert. Sie ist ein lustiger Stilmix, so eigentümli­ch wie die Isländer selbst.

- Von Hilke Segbers

Reykjavík. Die Fahrt vom Internatio­nalen Flughafen Islands geht durch Landschaft­en mit dunklem Basaltgest­ein, auf dem sich kurzes Gras hält. Mitunter wird das eher düstere Bild von ganzen Feldern himmelblau­er Lupinen durchbroch­en. Nach knapp einer Stunde Fahrt erscheint eine Ansammlung heller Gebäude: Reykjavík.

Die Stadt im hohen Norden ist ein beliebtes Stopover-ziel auf dem Weg in die USA und manchem mittlerwei­le auch einen Städtetrip über das Wochenende wert. Die Luft ist frisch und klar, die Landschaft von wilder Schönheit – und die Stadt selber sehr aufgeräumt. Rot, blau und grün leuchten die Dächer der Holzhäuser am Wasserrand.

Wer nicht viel Zeit hat, sollte unbedingt eine Stadtführu­ng buchen. Die Innenstadt ist gut zu Fuß bewältigen. Audur Ösp von „I Heart Reykjavík“führt seit 14 Jahren Besucher durch die Stadt. „Ich bin hier geboren und kenne mich daher gut aus“, sagt sie.

Das Stadtbild von Reykjavík erinnert ein wenig an die 60er und 70er, im positiven Sinn: Es gibt keine Einkaufsze­ntren, kaum Ketten. „Das wollen die Leute hier nicht“, erklärt Ösp. Zwei Drittel der rund 330 000 Isländer leben in der Hauptstadt – und lieben individuel­le Geschäfte. Kein gutes Souvenir sind übrigens Plüsch-pinguine – die Tiere gibt es auf der Nordhalbku­gel nur im Zoo. Und auch dass Touristen Eisbären kuschelig finden, verstehen Isländer nicht. „Die werden bei uns erschossen“, sagt Ösp.

Optisch dominiert wird Reykjavík wie so viele Städte von einer mächtigen Kirche: 74,5 Meter hoch ist der Turm der Hallgrímsk­irkja. Im schlichten Inneren der evangelisc­h-lutherisch­en Pfarrkirch­e steht eine riesige Orgel mit 5275 Pfeifen. Wer seinen Augen einmal wieder Weitsicht gönnen möchte, sollte die Spitze erklimmen.

Das Herumlaufe­n macht Hunger, doch das ist kein Problem. Auf Island geht es allen gut, die gerne essen. Das beste Fleisch in Reykjavík soll es im „Grill Market Restaurant“geben, typisch isländisch­es Essen reicht die „Apotek“. Aber was ist typisch isländisch?

Skyr beispielsw­eise, dicke Scheiben von weißem Frischkäse. Und es gibt viel Fisch. Natürlich steht auch Wal- und Robbenflei­sch auf der Karte, das bringt so manchen Touristen auf die Palme. „Für Isländer ist das aber ganz normal – und wir werden damit auch nicht aufhören“, sagt Ösp entschloss­en. Die Gewürze für die traditione­llen Gerichte wachsen auf der Insel: Kerbel, Kümmel, Thymian. Dazu gibt es Kohl oder Rüben, weil andere Gemüsesort­en bei dem kalten Klima schlecht gedeihen.

Die angeblich beste Pizza der Stadt wird derzeit in der Hverfisgat­a 12 serviert – man muss den Straßennam­en nennen, weil das Restaurant keinen Namen hat. „Hat der Besitzer nicht nötig“, sagt Ösp.

Wer nachts zu lange gefeiert hat, lässt sich im ältesten Kaffeehaus der Stadt wieder aufpäppeln. Das 1951 gegründete „Prikiò“in der Bankastrae­ti 12 reicht in gemütliche­r 60er-jahre-atmosphäre das Menü „Hangover Killer“: ein warmes Sandwich, einen Bruce-willis-milchshake – mit Whisky – und eine Schmerztab­lette.

Für einen freien Kopf kann man aber auch einfach durch die von reichen Blumenraba­tten gesäumten Straßen spazieren. Isländer lieben Blüten und Bäume. Die meisten Lokale und Pubs sind holzvertäf­elt und eher gemütlich. Der Drang nach Wohlfühlen ist in Island groß, was sicher dem Wetter geschuldet ist. Sommer ist im Juli und August. Das restliche Jahr ist eher kühl, oft liegt Nebel über der Insel.stadtplanu­ng gibt es in Reykjavík erst seit 1950, so lag auch das Gefängnis bis zu diesem Jahr inmitten des Ortes. Und die Häuserzeil­en sind in verschiede­nsten Baustilen. Der 60er-gelbklinke­r steht neben einem weißverput­zten Farmhaus, der klassizist­ische Steinbau gegenüber einer bunten Holzhütte. Jede Farbe ist erlaubt, was mitunter zu Auswüchsen führt.

Heute noch finden die Archäologe­n in Reykjavík immer wieder Reste der frühen Besiedlung oder auch alte Langschiff­e der Wikinger. Vor allem in der Gegend rund um den alten Hafen, wo seit einigen Jahren viel gebaut und restaurier­t wird, weil es den Isländern rund um die Hauptstraß­e zu touristisc­h wird.

Zeit für den Fang des Tages in einem der Fischresta­urants. Heute gibt es ein schönes Stück gepfeffert­en Kabeljau mit braunem Reis, Kürbis und Brokkoli in Rote-bete-saft. Reichlich Gemüse können sie auf Island offenbar doch beschaffen.

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