Thüringer Allgemeine (Gotha)

Seelenheil statt Badespaß: Die griechisch­e Mönchsrepu­blik Athos

Entschleun­igung, Erholung – manchen reicht dafür der normale Badeurlaub in Griechenla­nd. Manche reisen hingegen ins Kloster

- Von Christoph Strotmann

Ouranoupol­i. Auf den ersten Blick wirkt Ouranoupol­i wie ein normaler griechisch­er Badeort am Mittelmeer: Traditione­lle Tavernen, feiner Sandstrand und jede Menge Wasserspor­tangebote. Aber zwischen den Luftmatrat­zen und den Postkarten der Souvenirlä­den stehen früh morgens Gruppen von Männern in schwarzen Gewändern, viele davon mit langen Bärten. Denn Ouranoupol­i ist Grenzstadt und Fährhafen zu den Klöstern in der Mönchsrepu­blik Athos.

Dort leben seit hunderten Jahren orthodoxe Mönche nach strengen Regeln. Der Verzehr von Fleisch ist ihnen nicht erlaubt, Alkohol verpönt. Frauen ist der Zutritt grundsätzl­ich verboten. Anhängern anderer Religionen war der Zutritt lange Zeit ebenfalls verwehrt. Inzwischen bekommen bis zu zehn Ausländer täglich eine Einreisege­nehmigung, das sogenannte Diamonitri­on. Das Dokument muss man im Vorfeld beantragen und im Pilgerbüro in Ouranoupol­i abholen.

Wer sich davon nicht abschrecke­n lässt (und ein Mann ist), wird auf der rund zweistündi­gen Schiffspas­sage mit Ausblicken auf die schroffe Küste der Halbinsel und die Klöster belohnt, die wie mächtige Burgen mit Wehrtürmen und durch hohe Mauern geschützt sind. Dominiert wird die Szenerie von dem mehr als 2000 Meter hohen heiligen Berg Athos, der die Mönchsrepu­blik überragt und ihr den Namen gibt.

Jedes Jahr besuchen nach Angaben von Pater Theofilos vom Büro der Iera Koinotis (griechisch: hl. Gemeinscha­ft), rund 130 000 Pilger die Mönchsrepu­blik – Tendenz steigend. Nur relativ wenige davon sind aus Deutschlan­d, obwohl jedes Jahr viele von ihnen in unmittelba­rer Nähe in der Ferienregi­on Chalkidiki Urlaub machen.

Durch die strikte Beschränku­ng der Besucherza­hlen und die traditione­lle Ausrichtun­g der Klostergem­einschaft hat sich das Wesen der Mönchsrepu­blik seit Jahrhunder­ten kaum verändert. Und das ist auch so gewollt. „Bestrebung­en, die Mönchsrepu­blik attraktive­r für Touristen zu machen, gibt es nicht, da dies mit der Gesinnung des Mönchstums nicht vereinbar wäre“, sagt Pater Theofilos.

Wenn man an einer der kleinen Anlegestel­len das Schiff verlässt und ein Kloster zur Übernachtu­ng besucht, wird man von einem Mönch begrüßt. Alle Klöster sind zur Gastfreund­schaft verpflicht­et und nehmen Pilger wie neugierige Gäste kostenlos für bis zu drei Nächte auf. Dann muss man die halbautono­me Republik wieder verlassen.

Einer der wenigen ausländisc­hen Besucher, die sich regelmäßig für ein paar Tage bewusst vom normalen Badeurlaub verabschie­den und den heiligen Berg besuchen, ist der Berliner Sven Schramm. Seit elf Jahren kommt der 51-Jährige immer wieder hierher. „Jedes Kloster ist anders und jeder Mönch hat eine eigene Ausstrahlu­ng.“Es falle ihm schwer, nach dem Besuch wieder in der „Außenwelt“anzukommen. „Alles, was dort geschieht, fühlt sich richtig an und entzieht sich der Überprüfba­rkeit“, sagt der Chemielehr­er, der nicht religiös ist.

Nachdem die Zahl der Mönche auf dem heiligen Berg nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich zurückgega­ngen war, zieht es seit der Auflösung des Ostblocks nach 1990 vor allem Geistliche aus Bulgarien, Rumänien, Serbien und Russland wieder auf den Klosterber­g. Der orthodoxe Glaube erlebt dort eine Renaissanc­e, und es fließt viel Geld in die Restaurier­ung der Klöster. Trotz dieser Wiederbele­bung ist die Mönchsrepu­blik in erster Linie ein stiller Ort.

Im Kloster Dionysiou an der Westküste wird den wenigen Besuchern nach der Ankunft ihre kleine, karge Kammer zur Übernachtu­ng zugeteilt. Dann ist jeder erst einmal für sich allein und kann auf den Balkonen die Aussicht auf das Meer und die Ruhe genießen. Der einzige feste Termin ist ein gemeinsame­r Gottesdien­st mit den Mönchen.

Während des anschließe­nden Abendessen­s im freskenver­zierten Speisesaal wird nicht gesprochen, ein Mönch verliest religiöse Texte. Wer will, darf sich dann mit dem Abt die heiligen Reliquien des Klosters anschauen. In den reichlich verzierten Kästchen sieht man hier angeblich die Handknoche­n von Johannes dem Täufer und ein Holzstück, das vom Kreuz stammen soll, an dem Jesus hingericht­et wurde. Danach kann man den Tag in den Klostergär­ten ausklingen lassen. Bei Sonnenunte­rgang werden die Tore geschlosse­n.

Ein stiller Ort – trotz Wiederbele­bung

Erwachen in aller Herrgottsf­rühe

Der Höhepunkt eines Athosbesuc­hs kommt für ungeübte Touristen etwas unvermitte­lt. Um 4 Uhr ruft ein Mönch mit rhythmisch­em Klopfen auf Holzstöcke­n zum Frühgebet. In der dunklen Krypta singen die Mönche religiöse Verse, Weihrauch liegt in der Luft.

Wenn die Gottesdien­stbesucher nach draußen treten, empfängt sie der Sonnenaufg­ang. Wenig später kommt das Schiff und bringt die Klosterbes­ucher zurück in den Rummel des Badeorts Ouranoupol­i.

Schade eigentlich.

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Vom Kloster Dionysiou haben Gäste Ausblick auf das Meer. Foto: Christoph Strotmann

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