Thüringer Allgemeine (Gotha)

Abhöraffär­e bei der Polizei: Verdacht schon seit Jahren

Vorwurf erstmals 2013 geäußert. Ex-innenminis­ter Geibert hält Zehntausen­de Mitschnitt­e für „abenteuerl­ich“

- Von Fabian Klaus

Erfurt. Rainer Kräuter fällt es schwer, ruhig zu bleiben. Hat er jetzt den Beweis dafür, dass über Jahre illegal bei der Thüringer Polizei mitgehört wurde?

Kräuter gehört zu einer Reihe von ungeliebte­n Polizeibea­mten der Vergangenh­eit. Der ehemalige Polizist war Gewerkscha­ftsfunktio­när und Personalra­tsvorsitze­nder; seit 2014 sitzt er für die Linke im Landtag. Seit an Seit mit Marko Grosa, lange Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei (GDP) in Thüringen, und Marko Christ, der heute Gdp-chef ist, kämpft er vor einigen Jahren dafür, Verbesseru­ngen zu erreichen, die Polizeibea­mten die Verrichtun­g ihres Dienstes erleichter­n sollen. Auch Funktionär­e der Deutschen Polizeigew­erkschaft sind damals mit im Boot.

Just in dieser Zeit häufen sich interne Ermittlung­en. Angesiedel­t ist die Abteilung damals beim Landeskrim­inalamt. Dass dabei die genannten Personen in den „Kreis der Verdächtig­en“rücken – ein Zufall?

„Interne Ermittlung­en“und das LKA

Man wundert sich in diesen Kreisen, dass die Ermittler offenbar Kenntnisse darüber haben, was ein Personalra­tsvorsitze­nder einem Dienstvorg­esetzten in Telefonate­n erzählt. 2013 äußert der damalige Gdp-chef Grosa den Verdacht, dass bei der Thüringer Polizei illegal Telefonges­präche mitgeschni­tten werden könnten. Die technische­n Voraussetz­ungen gibt es.

Die verstärkte­n internen Ermittlung­en gegen Polizeibea­mte, vornehmlic­h Gewerkscha­ftsfunktio­näre, laufen da schon über Jahre. Das Thüringer Innenminis­terium, damals ist Jörg Geibert (CDU) der Chef, beeilt sich in Gestalt eines Ministeriu­mssprecher­s aber mit dem Dementi. Die Technik sei nie benutzt worden, heißt es damals. Auch heute ist Geibert davon überzeugt. „Ich halte es für abenteuerl­ich, dass Zehntausen­de Telefonate aufgezeich­net wurden“, sagt er. Keinesfall­s sei für ihn vorstellba­r, dass von einem seiner Vorgänger ein Erlass unterzeich­net wurde, der die Möglichkei­t eröffne, Gespräche inhaltlich mitzuschne­iden, die beispielsw­eise von Personalra­tschefs mit Behördenle­itern geführt würden. Zurzeit des fragwürdig­en Erlasses war Richard Dewes (SPD) Innenminis­ter in Thüringen.

Ex-gewerkscha­fter Grosa, heute Bürgermeis­ter von Leinefelde-worbis, sagt: „Gegen Thüringer Polizeibea­mte wurde immer nur belastend ermittelt.“ Und nun steht der Verdacht im Raum, dass nicht nur ihre Gespräche sondern auch Telefonate von Behördenle­itern mit Staatsanwä­lten und Journalist­en mitgeschni­tten wurden.

Rainer Kräuter meint, er habe Indizien, dass es so gewesen sein könnte – denn auch gegen ihn wurde ermittelt. Kräuter, er betont, dass die Unschuldsv­ermutung gilt, glaubt übrigens nicht daran, dass das vermeintli­che massenhaft­e Abhören auf den Erlass aus dem Jahre 1999 zurückgeht. „Ich glaube, dass Personen, wenn es so gewesen ist, massiv ihre Kompetenze­n überschrit­ten haben“, sagt er. Was der Gewerkscha­ft damals aufgefalle­n sei, hätten jetzt offenbar auch andere Behörden bemerkt – den Fall ins Rollen gebracht hat die Staatsanwa­ltschaft Gera. Dass Gespräche mitgezeich­net wurden, kam zufällig heraus.

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In der Landeseins­atzzentral­e der Polizei in Erfurt gehen sämtliche Notrufe aus ganz Türingen ein und werden aufgezeich­net. Aber auch interne Gespräche sollen bei der Polizei mitgeschni­tten worden sein, heißt es. Archiv-foto: Marco Kneise

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