Thüringer Allgemeine (Gotha)

Holländisc­he Liebesbezi­ehung

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Steffen Högemann über ein Fahrrad, das viel Liebe bekommt und dennoch immer ärgert

Als ich mir vor gut vier Jahren ein herunterge­kommenes Hollandrad kaufte, war mir nicht bewusst, welch zwiespälti­ge Beziehung ein Mensch zu seinem Fahrrad aufbauen kann.

Es war von Anfang an ein absoluter Hingucker: weiße Schutzblec­he, beige Mäntel, Ledersatte­l und, nicht zu vergessen, ein lederner Kettenschu­tz.

Doch schon die erste Reparatur ließ mich verzweifel­n. Nach stundenlan­gem Hin und Her entschloss ich mich, das Liebhabers­tück in fachmännis­che Hände zu geben.

So wurde aus dem Schnäppche­n auf einmal ein Normalprei­s und, wenn man die Aufregung und den Zeitaufwan­d betrachtet, ein Luxusgut.

Nachdem ich die Rechnung beglich, schloss ich gleich Frieden mit dem immer noch hoch attraktive­n Drahtesel. Doch die Friedenser­klärung wollte mein Rad partout nicht annehmen. Der platte Vorderreif­en folgte prompt, die Reparatur war jedoch vergleichs­weise einfach, sodass ich noch an die gegenseiti­ge Liebe glaubte.

Doch dann folgte ein ausgefranz­ter Bolzen am Pedalarm, ein platter Hinterreif­en im Frankreich-urlaub, ein platter Hinterreif­en in Vieselbach bei Erfurt und zu guter Letzt ein platter Hinterreif­en in Amsterdam. „Wie kannst du nur, in deiner Heimatstad­t?“, brüllte ich mein mittlerwei­le nicht mehr heiß geliebtes Fahrrad an.

Doch auch wenn die Beziehung manchmal hakt, gebe ich so schnell nicht auf.

Ich stehe zu meinem Rad – in guten wie in schlechten Zeiten.

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