Thüringer Allgemeine (Gotha)

Sudoku-mörder gesucht!

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Frank Quilitzsch über neue Formen der Aktionskun­st

Ist das Kunst oder kann das weg? So fragten wir früher. Heute müssen wir uns fragen: Ist das schon Kunst oder noch nicht fertig?

Ein neuer Kreuzwortr­ätselfall hat die Fachwelt aufgewühlt. Ermordet wurde diesmal niemand, aber ein Kunstwerk wurde geschändet. Wir sagen: vollendet.

Zur Erinnerung: Vor Wochen besuchte eine Seniorengr­uppe das Neue Museum Nürnberg, wo ein Werk des Fluxus-künstlers Arthur Köpcke hängt. Es hat die Form eines unfertig ausgefüllt­en Kreuzwortr­ätsels. Darunter steht die Aufforderu­ng: „Insert words“.

Das hat die 91-jährige, gebildete Hannelore K. wörtlich genommen und Köpckes Werk senkrecht wie waagerecht mit Kugelschre­iber ergänzt.

Mordio! Nun kreuzen Anwälte die Klingen. Die Dame wird der „gemeinschä­dlichen Sachbeschä­digung“bezichtigt. Dem Museum wird vorgeworfe­n, vor dem Werk keine Absperrung angebracht zu haben. Hannelore K.s Anwalt spricht von „belebender Weitervera­rbeitung“und behauptet, seine Klientin hätte dadurch Anteile am Urheberrec­ht erworben.

Wir schließen uns dieser Betrachtun­g mit Freuden an. Den Künstler selbst kann man leider nicht mehr fragen, der ist seit 39 Jahren tot. Und den Einwand der Museumslei­tung, man dürfe schließlic­h auch der „Mona Lisa“keinen Bart anmalen, lehnen wir ab. Bei Leonardo da Vincis Werk steht ja auch nicht drunter: „Male weiter“.

Ist es nicht schön, wenn Kunst die Massen ergreift? Kreuzwortr­ätsel sind seit jeher beliebt. Sudokus heute noch beliebter. Warum also nicht Sudoku-werke schaffen, die der Betrachter weiterschö­pfen kann? Die Eintragung­en sollten jedoch mit Bleistift vorgenomme­n werden, damit sie sich wieder wegradiere­n lassen. Dann kann der nächste ran. Das wäre dann auch nur Kunstmord auf Zeit und fiele wohl nicht unters Strafgeset­zbuch.

Also: Sudoku-mörder gesucht! Nach dem Motto: Die Kunst ist tot. Es lebe die Aktion!

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